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Förderaffäre um Verband pro Agro in Brandenburg: Rechtlich nicht relevant

Seit Wochen steht Brandenburgs Agrarminister Jörg Vogelsänger in der Förderaffäre um den Lobbyverband pro agro in der Kritik. Der Minister versucht die Vorwürfe zu entkräften, doch seine Verteidigungsstrategie geht nicht auf.

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Potsdam - In Brandenburgs Landesregierung ist jetzt eines klar: Das Krisenmanagement von Agrarminister Jörg Vogelsänger (SPD) in der Förderaffäre um den Lobbyverband pro agro war katastrophal. Und ausgerechnet dieser Minister soll gegenüber der EU-Kommission bei einem drohenden Prüfverfahren zu möglichen Verstößen gegen das Wettbewerbs- und Beihilferecht bei der pro agro-Förderung das Land retten? Nicht nur in der Opposition im Landtag, sondern selbst in der rot-roten Koalition gilt Vogelsänger in dieser Frage nun als unsicherer Kandidat.

Über mehrere Wochen, in vier Sitzungen verschiedener Landtagsausschüsse versuchte Vogelsänger die Feststellung des Landesrechnungshofes zu entkräften, das Ministerium habe dem Lobbyverband im Jahr 2005 einen Bewilligungsbescheid für einen Zuschuss von 250.000 Euro erteilt, ohne dass überhaupt ein Antrag vorlag. In der gestrigen Sitzung des Haushaltsausschusses fiel seine Verteidigungsstrategie nun völlig in sich zusammen.

Erst "Behördenfehler", dann "Büroversehen"

Der Förderbescheid ist auf den 17. Mai 2005 datiert, der Antrag von pro agro aber auf den 19. Mai. Vogelsänger hatte das Datum auf dem Bescheid erst als „Behördenfehler“, dann als „Büroversehen“ bezeichnet. Aber im Bescheid wurde nicht wie üblich auf einen Antrag Bezug genommen. Später dann präsentierte der Minister einen Auszug aus dem elektronischen Verwaltungssystem des Ministeriums, kurz VIS. Dort war vermerkt, dass der Bescheid erst am 26. Mai ergangen sein soll. Im Originalbescheid ist die Schlusszeichnung aber für den 19. Mai verzeichnet. Alle von Vogelsänger im Landtag über Wochen vorgebrachten Fakten hatte das Ministerium im Ausräumungsverfahren gegenüber dem Rechnungshof aber gar nicht erwähnt. Und in den Ausschüssen sorgte der Minister für immer neue Verwirrung. Nun stellte sich heraus, dass der VIS-Auszug überhaupt gar keine rechtliche Aussagekraft hat. Das System läuft – wie PNN berichteten – seit Jahren in einem sogenannten Probe-Echt-Betrieb. Mehrmalige Fragen von CDU-Finanzexperte Steeven Bretz, ob das System rechtssicher sei, beantwortete Vogelsänger nicht und erklärte lediglich, dass System sei ein wichtige Arbeitsgrundlage für seine Mitarbeiter. Stattdessen musste sein Abteilungsleiter Eduard Krassa einen PNN-Bericht bestätigen: Das bereits 2003 eingeführte VIS sei noch immer in einer Erprobungsphase, es handle sich um ein „vorläufiges System“ und sei „noch nicht abschließend zugelassen“. Denn noch immer arbeitet das Ministerium nach einer 2013 beendeten Prüfung Fragen der Landesdatenschutzbeauftragten ab.

Vogelsänger: Nur die Papierakte ist relevant

Die federführende Akte ist die Papierakte“, sagte Vogelsänger schließlich. Im Klartext: Nur die Papierakte ist relevant. Doch die hat Vogelsänger für den Landtag nie geöffnet. Stattdessen erklärte er nach vier Ausschusssitzungen, nach Vorlage von rechtlich nicht relevanten Auszügen aus einem System, das rechtlich gar nicht existiert, die Abgeordneten könnten Akteneinsicht beantragen. Hinzu kommt, dass Vogelsänger zunächst behauptet hatte, die Auszüge aus dem System seien – wie datenschutzrechtlich für Dokumentenechtheit vorgeschrieben – unveränderbar. Aber das trifft für Briefkopf, Namen und Geschäftszeichen nicht zu, wie er einräumen musste.

Und so hat der Vorwurf des Rechnungshofs Bestand. „Ich kann feststellen, dass das Ministerium vorausahnend wusste, was für ein Antrag gestellt werden würde. Da wurde einmal schnell gearbeitet“, sagte der Grünen-Fraktionschef Axel Vogel. Vogelsängers Mission der Verteidigung und Aufklärung sei grandios gescheitert, sagte Bretz. Finanzausschusschef Sven Petke (CDU) erklärte, es stelle sich die Frage nach Vogelsängers Motivation für sein Verhalten, zumal er für die Förderentscheidung damals gar nicht verantwortlich war. 

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