Brandenburg: Reden ist Silber
Die Flüchtlingskrise führt Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) nach Brüssel. Er nimmt sein ganzes Kabinett mit. Lohnt das?
Stand:
Potsdam/Brüssel - Er sei froh, sagt Dietmar Woidke am Ende über seine Reise nach Brüssel. Es habe sich bestätigt, was er am Dienstagmorgen kurz nach dem Eintreffen in der Brandenburger Landesvertretung sagte. Da war er gefragt worden, was das kleine Bundesland bei den mächtigen EU-Institutionen überhaupt bewirken kann. Seine Hoffnung, seine Antwort: „Ein kleines Land kann hier sehr gut die Probleme benennen.“ Die bekomme man in Brandenburg „sehr direkt“ mit. Und das hat man dann auch getan. Das Ergebnis? Die EU-Verantwortlichen seien bemerkenswert gut über Brandenburg informiert, sie legten Wert darauf, so Woidke, „Bodenhaftung und den Bezug zur Realität zu behalten“. Und diese Realität hat derzeit vor allem mit Flüchtlingen zu tun. 40 000 kamen allein voriges Jahr nach Brandenburg. Das, vor allem das, hat Woidke hierher geführt. Vor allem darüber hat er mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, Regionalkommissarin Corina Ketru und mit dem Parlamentspräsidenten Martin Schulz gesprochen, mit dem er befreundet ist. Für den Abend war auch noch EU-Kommissar Günther Oettinger angesagt. Wichtigere Gesprächspartner in Brüssel kann ein Provinzregent kaum finden.
Woidke kam mit dringenden Bitten. Etwa der, dass Flüchtlinge in Europa wieder registriert werden, „und zwar lückenlos“, dass der Schutz der EU-Außengrenzen gewährleistet werde, sagt er. „Und wir brauchen dringend Unterstützung der EU bei der Integration.“ Am wichtigsten sei aber, „dass sich Europa zusammenrauft“. Man sei, so ein Fazit der Reise, auf offene Ohren gestoßen, habe aber auch selbst größeres Verständnis gewonnen. „Das Maß an Übereinstimmung war größer als erwartet.“
In der Brüsseler Landesvertretung mit der Brandenburg-Fahne am Eingang war am Vormittag das mitgereiste Kabinett zu einer regulären Beratung zusammengetreten – die komplette Potsdamer Regierung auf Auslandsreise. Lohnt sich das wirklich? Klar, sagen die Europaabgeordneten von SPD und Linken, Susanne Melior und Helmut Scholz. Aber es findet sich auch ein Oppositionspolitiker, der das ebenso sieht. „Es ist gut, dass Woidke und das Kabinett hier waren“, sagte Christian Ehler, ein altgedienter CDU-Europaparlamentarier. Die Regierungschefs aus Berlin und Brandenburg könnten sich häufiger sehen lassen, meint Ehler. „Sie machen sich eher rar.“ In Brüssel gebe es auch einen Wettbewerb der Regionen, Präsenz sei wichtig. Die Regierungschefs Bayerns oder Nordrhein-Westfalens „sind alle zwei Monate da“. Woidke nimmt die Signale auf, hat an diesem Tag den gleichen Eindruck gewonnen. „Öfter hier zu sein kann nicht schaden.“
Zur europäischen Diplomatie gehört auch das Schweigen an der richtigen Stelle, im richtigen Moment. Und so ist es diesmal mit dem unvollendeten Hauptstadtflughafen gewesen. Seit Ende Januar läuft in Brüssel nun das offizielle Notifizierungsverfahren für die nächsten 2,2 Milliarden Euro, mit denen der BER bis 2017 fertig gebaut und erste Erweiterungen bezahlt werden sollen. Eigentlich sollte das Verfahren im Herbst 2015 beendet sein. Man ist auch hier im Rückstand. Von den letzten 1,2 Milliarden Euro der öffentlichen Hand, die nach der geplatzten Eröffnung 2012 bewilligt wurden, sind noch 168 Millionen Euro übrig. Lange reicht das Geld nicht mehr. Es bleibt eine heikle Operation. Doch Kenner der EU-Verhältnisse haben den Brandenburgern geraten, das Thema lieber nicht anzusprechen: Weil alles gut laufe und sonst nur Unruhe drohe. Dietmar Woidke hielt sich dran. „Wir wollen ja hier nicht dazwischenfunken.“
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: