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Energiepolitik: Regierung für CO2-Pipelines durch Brandenburg
Rot-Rot präsentiert Energiestrategie 2030: Mehr erneuerbare Energie und das vage Hoffen auf „saubere“ Kohle
- Matthias Matern
- Thorsten Metzner
Stand:
Potsdam - Das Land Brandenburg will seinen Spitzenplatz beim Ausbau erneuerbaren Energien in Deutschland langfristig behaupten. Das sieht der nun amtliche Entwurf der neuen rot-roten Energiestrategie „Brandenburg 2030“ vor, den Wirtschaftsminister Ralf Christoffers und Umweltministerin Anita Tack am Dienstag in Potsdam offiziell vorstellten. Die beiden Linke-Minister, zwischen denen es um die langfristige Stromproduktion aus der Lausitzer Braunkohle vor Weihnachten heftige Konflikte gegeben hatte, präsentierten das Papier nun demonstrativ gemeinsam. Nach den dort verankerten Zielen will Brandenburg von einem Sünder beim Klimaschutz zu einem Vorreiter werden. „Es ist keine Kohlestrategie, sondern eine für den Vorrang erneuerbarer Energien“, betonte Christoffers. Und Tack nannte die Klimaschutzziele „ambitioniert“.
Brandenburg gehört bislang mit jährlich rund 60 Millionen Tonnen zu den Ländern mit dem größten Kohlendioxidausstoß. Diesen verursachen zu 63 Prozent die Lausitzer Braunkohlekraftwerke – besonders der veraltete Meiler in Jänschwalde. Bis zum Jahr 2030, so die nun formulierte Marke, sollen die Emissionen des klimaschädlichen Treibhausgases auf 25 Millionen Tonnen jährlich drastisch heruntergefahren werden. Diese Senkung um 72 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 gehe über die Klimaschutzziele der Bundesregierung hinaus.
Allerdings gestanden die beiden Linke-Minister auf Nachfrage ein, dass diese Klimaschutzziele nur erreicht würden, wenn die Braunkohle „sauber“ wird, also neue Kohlekraftwerke in der Lausitz mit der bislang nicht ausgereiften CCS-Technologie zur Abspaltung des klimaschädlichen Kohlendioxids ausgerüstet werden. Beide schlossen neue Braunkohle-Kraftwerke ohne CCS aus, ebenso Kohlendioxid-Endlager im Land. Stattdessen soll, entsprechend erster Planungen auf EU-Ebene, das Kohlendioxid über Pipelines abgeleitet werden. Laut Christoffers könnte das Gas zu Häfen wie Hamburg oder Rotterdam transportiert und dann etwa unter der Nordsee gespeichert werden.
Jedoch widerspricht dieser Ansatz Positionen der Linke-Bundestagsfraktion. „Die Brandenburger Linke verhindert ihren eigenen Glaubwürdigkeitsverlust nicht“, erklärte gestern etwa der Cottbusser Linke-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Nekovic. Die Strategie der Landesregierung sei der „mühsame Versuch, den stattfindenden Bruch des Koalitionsvertrages kaschieren zu wollen“. Eine europäische CCS-Lösung sei „ein Trugbild“, so der Linke-Bundespolitiker weiter. Dafür gebe es „keine ernsthafte politische, ökonomische und technische Realisierungschance“.
Die Strategie, die nach öffentlicher Debatte laut Christoffers Ende Februar, Anfang März vom Kabinett verabschiedet werden soll, birgt darüber hainaus auch weiteren Zündstoff für die anstehende Landtagsdebatte. So kritisieren die Grünen, dass die Landesregierung die Planungsverfahren für den Aufschluss neuer Tagebaue in Welzow-Süd und Jänschwalde-Nord fortsetzen will. Grünen-Fraktionschef Axel Vogel kritisierte, dass mit der Strategie versucht werde, mit „unseriösen“ CCS-Spielereien „Braunkohle weiter abzusichern.“ Er sprach sich für einen Ausstieg aus der Braunkohle bis 2030 aus. Der Energieexperte der FDP, Gregor Beyer, kündigte an, seine Fraktion werde kommende Woche ein eigenes Energiepapier vorlegen. „Eswird deutlich weiter reichen als bis zum Jahr 2030. Aus unserer Sicht brauchenwir eine Strategie bis zum Jahr 2050“, versicherte Beyer. Am rot-roten Entwurf vermisse er innovative Aussagen, die die Energiepolitik in den Kontext der Wirtschaftspolitik des Landes stellen. Der energiepolitische Sprecher der CDU, Steeven Bretz, kritisierte das Papier der Regierung als „weichgespülte Bekundungen“. Der Entwurf spreche sich weder klar für die weitere Nutzung der Braunkohle aus noch werde erklärt, wie und wo der Ausbau der Erneuerbaren Energien passieren soll, so Bretz.
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace wirft SPD und Linke dagegen vor, ihre bisherigen Klimaziele zu verwerfen. Der Ausstieg aus der Braunkohle sei unabdingbar, so Greenpeace-Expertin Anike Peters. „Braunkohlekraftwerke sind Klimakiller und viel zu schwerfällig, um die Schwankungen von Sonnen- und Windenergie auszugleichen.“
Die Linke-Landtagsfraktion fasste gestern einen Beschluss mit der Forderung, die Genehmigung für neue Tagebaue an die Auflage zu koppeln, nur zur Belieferung „von hocheffizienten, CO2-armen Kraftwerken“ zu dienen. Diese gehe über den Regierungsentwurf hinaus. Beim Ausbau erneuerbarer Energien korrigiert Brandenburg mit der Strategie bisherige Ziele noch einmal nach oben. Bis zum Jahr 2030 soll deren Anteil am Primärenergieverbrauch von derzeit 16 Prozent auf mindestens 35 Prozent steigen.
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