Brandenburg: Reinheitsgebot
Nach Fall Guben: Landtag will auf Grünen-Initiative Kriminelle von Bürgermeisterwahlen ausschließen, fast alle Experten sind dafür
Stand:
Potsdam - Der Korruptionsfall des verurteilten, aber trotzdem wiedergewählten FDP-Bürgermeisters Klaus-Dieter Hübner in Guben ist der Auslöser: Im Land Brandenburg sollen wegen schwerer Delikte vorbestrafte Kandidaten nun künftig gar nicht erst bei Bürgermeisterkandidaten antreten dürfen. Ein entsprechender Gesetzentwurf der oppositionellen Grünen-Fraktion im Landtag nahm am Donnerstag eine wichtige Hürde.
Bei einer Anhörung sprachen sich – mit einer einzigen Ausnahme – alle Experten dafür aus, das brandenburgische Kommunalwahlgesetz mit einer entsprechenden Regelung zu versehen. Bei Anhörungen passiert das eher selten. Auch der Landkreistag begrüßte eine Verschärfung, vom Städte- und Gemeindebund war niemand anwesend. Auf Guben, wo Hübner trotz einer rechtskräftigen Bewährungsstrafe von eineinhalb Jahren wegen Korruption bei der Wahl 2016 angetreten und mit einem Ergebnis von 57,8 als klarer Sieger hervorgegangen war, hat die Gesetzesnovelle keine Rückwirkung. Sie würde, so erläuterte etwa Klaus Herrmann von der Kanzlei Dombert aus Potsdam, aber für alle Bürgermeisterwahlen nach Verabschiedung des Gesetzes gelten.
Von Experten wurden allerdings noch Verbesserungen empfohlen. Die Gesetzes-Novelle bezeichnete etwa Verwaltungsexperte Thorsten Ingo Schmidt von der Universität Potsdam als „sinnvoll“, fügte aber hinzu: Er halte es etwa für fragwürdig, die Ausschlussklausel gleich lebenslang zu fassen. Er plädiere für eine Zeit von fünf Jahren. Darüber bestand weitgehend Einigkeit.
Herrmann verwies darauf, dass es ja ständig Fälle gebe, wo Hauptverwaltungsbeamte in Brandenburg Probleme mit der Strafjustiz hätten, etwa wegen Korruptionsvorwürfen. Das Problem sei, dass gerade sie als Führungskräfte zuständig seien, in ihren Verwaltungen die Einhaltung von Standards durchzusetzen. Es sei daher nachvollziehbar und richtig, dass die geplante Unwählbarkeitsklausel das Amt hauptamtlicher Bürgermeister von vornherein schützt. Damit „Kandidaten keinen Ballast mitbringen, der die Amtsführung gefährdet“. Nicht die Novelle, sondern der jetzige Zustand sei das „demokratische Defizit“. Der gaukle der Bevölkerung vor, dass jemand trotz Verurteilung gewählt werden kann, obwohl klar sei, dass er die Amtsgeschäfte nicht ausüben könne.
Widerspruch kam allein von Wilfried Kirkes, dem Vorsitzenden der Vereinigung der Verwaltungsrichter in Brandenburg. „Es besteht kein Regelungsbedarf“, sagte Kirke. „Man kann es so machen. Man muss es nicht.“ Geplant sei allein eine „rechtspolitische Entscheidung“. Und die wiederum sei problematisch. Es entstehe, wie man in Guben sehe, ein demokratisches Legitimationsproblem. Es gehe um die Frage, wer denn am Ende entscheide, „der Bürger vor Ort“ oder ein Disziplinarrichter oder eine Aufsichtsbehörde. Der Ansatz sei daher schwierig.
Kritik übte Kirke auch daran, dass nach dem Entwurf auch Verurteilungen im EU-Raum oder Vertragsstaaten zum Ausschluss führen sollen, obwohl es in den Gerichtsverfahren dort möglicherweise nicht die gleichen rechtsstaatlichen Standards wie in der Bundesrepublik gebe. Als Stichworte nannte Kirke nur „Erdogan in der Türkei und Ungarn“. Thorsten Metzner
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: