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Klaus Wowereit muss um die rot-grüne Mehrheit bangen.

© dapd

Mann ohne Mandat: Rot-Grün bevorzugt

Beide Parteien liebäugeln mit einem gemeinsamen Bündnis. Trotzdem wird die SPD auch mit der Union eine Koalition prüfen

Von
  • Sabine Beikler
  • Ulrich Zawatka-Gerlach

Stand:

Berlin - Trotz knapper Mehrheitsverhältnisse werden bei der SPD, aber auch bei den Grünen in Berlin die Weichen auf Rot-Grün gestellt. „Ich bevorzuge klar eine solche Koalition“, sagte die SPD-Vizechefin Iris Spranger, die dem rechten Parteiflügel angehört und aus Marzahn-Hellersdorf kommt. Berlin habe mit großer Mehrheit Mitte-Links gewählt, dem müssten die Sozialdemokraten Rechnung tragen. Auch der Reinickendorfer SPD-Kreischef Jörg Stroedter bezeichnete ein Regierungsbündnis mit der CDU als „falsches Signal“. Die Wahl in Berlin habe insgesamt das linke Lager gestärkt, und auch im Bund gehe es in Richtung Rot-Grün.

Der Spandauer Vize-Kreischef Daniel Buchholz hält die Union für „nicht regierungsfähig“. Es gebe in Berlin eindeutige gesellschaftspolitische Mehrheiten „und die sagen mir nicht, dass der CDU-Landesvorsitzende Frank Henkel neuer Innensenator werden soll“. Ähnlich argumentieren viele SPD-Funktionäre aus allen Stadtregionen und innerparteilichen Strömungen. Grundlegende Voraussetzung für Rot-Grün sei allerdings, „dass wir die Wahl des Regierenden Bürgermeisters im Parlament geschlossen hinkriegen und die Koalition auch atmosphärisch funktioniert“, forderte Michael Arndt, SPD-Kreischef im Bezirk Steglitz-Zehlendorf. „Obstruktion geht gar nicht.“

Auch die SPD-Sozialpolitikerin Ülker Radziwill erwartet von den Grünen, dass sie „nicht als Truppe von Individualisten agieren, sondern diszipliniert und verantwortungsvoll mitregieren“. Sozialdemokraten und Grüne haben im neuen Abgeordnetenhaus zusammen 78 Mandate. Das ist nur ein Sitz über der absoluten Mehrheit, mit der der Regierungschef gewählt werden muss. „Wir brauchen einen verlässlichen Partner“, forderte der SPD-Abgeordnete Frank Zimmermann. Die Genossen sind nicht frei von Misstrauen gegenüber den Grünen, mit denen man sich einen harten Wahlkampf lieferte.

Alle Meinungs- und Funktionsträger im SPD-Landesverband plädieren deshalb dafür, nicht nur mit den Grünen, sondern auch mit der CDU eine Zusammenarbeit in der Regierung fair und ergebnisoffen zu sondieren. „Es geht darum, ganz nüchtern und unvoreingenommen zu prüfen, wie man eine stabile Regierung hinbekommt, die eine vernünftige Politik macht“, sagte der Neuköllner SPD-Kreischef Fritz Felgentreu. Der Landesvorstand der Sozialdemokraten wird am Montagabend empfehlen, Grüne und CDU zu Sondierungsgesprächen einzuladen. Außerdem soll ein Zeitplan für die Verhandlungen festgelegt werden. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit hält sich beide Optionen offen.

Die Grünen forderten die SPD auf, aus einer „stabilen Mehrheit“ für Rot-Grün etwas zu machen, sagte Fraktionschef Volker Ratzmann. „Wir sind ein zuverlässiger Partner. Es gibt eine absolute Geschlossenheit in der Partei, wenn wir uns aufmachen, diesen Weg zu gehen für eine gute und nachhaltige Politik“, versprach er der SPD. Auch Rot-Rot habe nach der Wahl 2006 lediglich eine Stimme über der absoluten Mehrheit gehabt. „An uns soll es nicht liegen. Wir sind bereit“, sagte Ratzmann. Die Spitzenkandidatin Renate Künast ergänzte, sie hoffe auf eine rot-grüne Regierung, „die den Dornröschenschlaf ablöst und endlich was in Berlin bewegt“.

Künast wird gemeinsam mit den beiden Fraktions- und Landeschefs an den Sondierungsgesprächen teilnehmen. Dann werde auch der Zeitpunkt kommen, an dem sie den „Staffelstab“ weitergebe. Die Grünen wollen am 30. September die Ergebnisse der Sondierungsgespräche auf einer Mitgliederversammlung mitteilen und die Basis darüber abstimmen lassen, ob Koalitionsverhandlungen geführt werden. Daran wird Künast wohl nicht mehr teilnehmen. Die Grünen seien aber nicht einfach „der Ersatz für die Linken“, stellte Künast klar. Einer der strittigen Punkte wird die Verlängerung der Stadtautobahn A 100 sein, die von den Grünen abgelehnt wird. Die Aussagen zur A 100 hätten weiter Bestand, sagte Künast. Darüber wolle man aber zuerst mit der SPD sprechen. Alles andere wäre unprofessionell. Dass ohne ein Nein zur A 100 kein Koalitionsvertrag unterzeichnet werde, wie es Ratzmann kurz vor der Wahl sagte, hörte man in dieser Entschiedenheit nicht mehr.

Der CDU-Landeschef Frank Henkel sagte, dass sich auch die Union ernsthaften Gesprächen nicht verschließe. Der Ball liege aber bei Wowereit. Andere Regierungskonstellationen als Rot-Grün oder Rot-Schwarz werden in Berlin nicht ernsthaft diskutiert.

So kann es kommen: Der Spitzenkandidat der Berliner SPD und Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, mag ja weiter regieren können – seinen Wahlkreis in Halensee (Charlottenburg-Wilmersdorf) hat er am Sonntag bei der Wahl aber verloren – und damit auch sein Mandat: Er zieht nicht einmal über die Bezirksliste der SPD ins Berliner Landesparlament, das Abgeordnetenhaus, ein. Er hat also zum ersten Mal nach 16 Jahren kein Parlamentsmandat mehr.

Das ist peinlich, aber kein Hindernis, um wieder für das Amt des Regierungschefs zu kandidieren.

Berlins Regierender unterlag in seinem Ku’damm-nahen Wahlkreis überraschend dem Berliner Rechtsanwalt und Notar Claudio Jupe – der ist von der CDU. PNN

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