Von Alexander Fröhlich: Rot-Rot blockiert sich bei Gerichtsstruktur selbst
Kompromissgespräch zwischen Linke-Justizminister Schöneburg und SPD-Innenminister Woidke nach Wochen ohne Folgen
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Potsdam - Der rot-rote Regierungsstreit um die Zukunft der 25 Amtsgerichte und den Umbau der Landgerichtsbezirke in Brandenburg eskaliert, die Koalition steht vor einer neuen Belastungsprobe. Bisherige Versuche, den internen Konflikt zwischen Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke) und Innenminister Dietmar Woidke (SPD) zu begrenzen, schlugen fehl. Nun zwingt Woidke seinen Kabinettskollegen mit scharfer Kritik zu klaren Aussagen. Die in der Koalition mit Spannung erwartete Rede Schöneburgs vor dem Bund Brandenburgischer Staatsanwälte heute Abend im Landesverfassungsgericht gewinnt dadurch zusätzliche Brisanz. Neben dem anhaltenden Streit um Sparbemühungen bei den Landeskosten für die Beseitigung von Kadavern von Agrarbetrieben, bei dem die Linke mit ihren Rotstift-Plänen auf Widerstand in der SPD stößt, ist es in der von SPD-Ministerpräsident Matthias Platzeck geführten Landesregierung der zweite schwere Konflikt. Allerdings drängt beim Gerichtsstreit diesmal die SPD auf weitreichende Sparanstrengungen.
Trotz eines vor mehreren Wochen abgehaltenen Krisengespräches beider Minister liegt das Gesetz zur Gerichtsstruktur weiter auf Eis, es sollte bereits zu Jahresbeginn ins Kabinett gehen. Vorrangig sollen damit die vier Landgerichtsbezirke an den im Zuge der Polizeireform vorgesehenen Zuschnitt der neuen Regionaldirektionen angepasst werden. Die beiden Ministerien, aber auch die Koalitionsfraktionen SPD und Linke sind sich uneins, wie weit das Gesetz greifen soll. Die SPD-Fraktion will die von Platzeck angeschobene Debatte um demografiefeste Landesstrukturen für einen Abbau bei den Amtsgerichten nutzen, was in der Koalition mit der CDU 2009 an internen Widerständen gescheitert war. Auch die Linke sperrt sich und bekräftigte auf ihrem Landesparteitag Anfang März per Beschluss ihre Position, dass alle 25 Amtsgerichte „ihre Berechtigung haben“. Die SPD dagegen setzt wegen des Spardrucks im Haushalt und Einwohnerschwunds langfristig auf nur noch ein Amtsgericht in jedem der 14 Landkreise und vier kreisfreien Städte. Woidke sagte nun, es dürfe keine Denkverbote bei der Straffung von Strukturen geben, zumal die letzte Justizreform in Brandenburg bereits 18 Jahre zurückliege. Intern herrscht jetzt sogar Streit über die von Schöneburg und Woikde bei dem Krisentreffen verabredeten Ergebnisse. „Es gibt wohl unterschiedliche Erinnerungen“, sagte ein Ministerieller. Dabei ging es um die Kriterien, wann Amtsgerichte geschlossen werden können: Die SPD will es möglichst konkret mit einem klaren Mechanismus etwa bei den Fallzahlen, Schöneburg dagegen sieht kaum Sparpotenzial bei Richtern und den in Landesbesitz befindlichen Gerichtsgebäuden – er will sich mehr Spielräume offenhalten. Auch bei den Landgerichtsbezirken. Die will Schöneburg erst zum Jahr 2014 an die neuen Polizeidirektionen anpassen.
Woidke kommt der Neuzuschnitt der Gerichtsbezirke „zu spät“, die SPD pocht auf zügige Umsetzung zum Jahresbeginn 2012. Woidke sagte: „Es war abgesprochen, dass parallel dazu die Bezirke der Landgerichte und Staatsanwaltschaften synchronisiert werden.“ Ein Sprecher des Justizministeriums erklärte, es sei nicht ausgeschlossen, dass die neuen Strukturen bereits vor 2014 greifen. Dies müsse aber noch genau geprüft werden. Tatsächlich will Schöneburg mit der späten Umsetzung Konflikte mit dem Justizpersonal wegen nötiger Versetzungen minimieren – aber auch Klarheit für Neubauten und Sanierungsprojekte an den Standorten erreichen. Woidke dagegen sagte nun, derlei Probleme habe die Polizei auch. Sein Ministerium müsse „die Reform trotzdem durchsetzen, um das Land angesichts knapper Finanzen zukunftsfest zu machen“. Es wäre fatal, wenn mit den 2012 bereitstehenden 65 Millionen Euro Gerichte ausgebaut würden, später aber wegen zurückgehender Verfahren geschlossen werden müssten. Aus der SPD-Landtagsfraktion wird Schöneburg inzwischen vorgeworfen, er blockiere eine Lösung und lasse sich für seine Position hochleben. Tatsächlich ist der frühere Strafverteidiger und Landesverfassungsrichter dafür im Justizapparat anerkannt. Rückdeckung kommt von oberster Stelle, vom Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg und dem Präsidenten des Oberlandesgerichtes (OLG), Wolf Kahl. Aus der SPD heißt es, Schöneburg müsse sich für eine Rolle entscheiden – Jurist oder Minister.
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