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Braunkohle-Politik: Rot-Rot kriegt die Energiekrise

Der Eklat zwischen Wirtschaftsminister Christoffers und Umweltministerin Tack um die Klimapolitik ist nur das Vorgeplänkel - für Deutschlands letztes SPD/Linke-Bündnis könnte es um die Existenz gehen

Stand:

Potsdam - Brandenburgs rot-rote Regierungskoalition steuert in der Energiepolitik auf eine ihrer schwersten Krisen zu. Diese könnte womöglich gar zum Ende des letzten rot-roten Bündnisses in Deutschland unter Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) führen. Nach PNN-Recherchen wird die künftige Energiestrategie „Brandenburg 2030“, die von Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) in Kürze vorgelegt und vom Kabinett wohl Anfang 2012 verabschiedet werden soll, definitiv kein Veto gegen den voraussichtlich ab 2020/2025 nötigen Ersatzbau für das wegen seines CO2-Ausstoßes als „Klimakiller“ geltenden Braunkohlekraftwerk in Jänschwalde enthalten. Da das Land aber nach allen vorliegenden Expertisen nur ohne einen Neubau seine Klimaschutzziele einer signifikanten Absenkung des Kohlendioxidausstoßes bis 2030 einhalten könnte, drängen auf den Verzicht Teile der Linken in Landespartei, Fraktion und Bundesspitze.

Sie werden in der Regierung unterstützt von Umweltministerin Anita Tack (Linke), die in einem Gutachten ihres Ministeriums jetzt einen Gegen-Entwurf vorgelegt hat. Die Empfehlung darin: mehr Klimaschutz durch Verzicht auf ein neues Kraftwerk in Jänschwalde, dafür die Modernisierung des Kraftwerkes Schwarze Pumpe. Prompt kam es deshalb, wie die PNN berichteten, jetzt auf einer internen Sitzung zu einer neuen offenen Konfrontation zwischen Tack und Christoffers. Dieser verwahrt sich gegen den aus seiner Sicht unzulässigen Versuch des Tacks-Ministeriums, eine eigene Energiestrategie zu entwickeln.

Zwar versuchten am Mittwoch Linke, SPD und Regierung, die Wogen zu glätten. Doch ein Dementi kam von keiner Seite. Das ganze sei „überhöht“, sagte etwa Staatskanzleichef Albrecht Gerber – ohne aber die Fakten, das Zerwürfnis der beiden Minister und die Eskalation ihres Streits zu dementieren. Das ausdrücklich als Gutachten deklarierte Papier des Umweltministeriums sei „eine Stellungnahme von mehreren, die in die Erarbeitung einfließt“. Auch von Christoffers kam kein Dementi. Er sagte nur, „interne Dinge kommentiere ich nicht“. Und auch Tack verwies lediglich auf die unterschiedlichen Ressort-Verantwortlichkeiten, die naturgemäß unterschiedliche Interessen bedingten. „Ich bin für Klima- und Umweltschutz verantwortlich, der Kollege für Energie.“ Ihr Ministerium habe eine Stellungnahme vorgelegt, „damit eine Energiestrategie im Einklang mit dem Koalitionsvertrag verabschiedet werden kann“.

Genau um dessen Auslegung wird in den nächsten Wochen erbittert gestritten werden. Denn die Eskalation zwischen Christoffers und Tack ist nur das Vorgeplänkel für den eigentlichen Konflikt. Wenn sich bei den Linken die Linie von Tack und anderen durchsetzt, die auf den Verzicht auf einen Neubau in Jänschwalde und damit auf einen frühen Ausstieg aus der Braunkohle hinausläuft, wäre der Eklat für Rot-Rot programmiert. Für die SPD ist das nicht verhandelbar, wie Staatskanzleichef Gerber unter Verweis auf den rot-roten Koalitionsvertrag bestätigte. „Es wird nicht gelingen, über die Energiestrategie einen schnelleren Kohleausstieg durchzudrücken.“ Brandenburg setze klar auf den Vorrang erneuerbarer Energien. Aber bis diese „in Deutschland“ grundlastfähig seien, sei laut Koalitionsvertrag Braunkohleverstromung als Brückentechnologie nötig. „Wenn es schneller geht, steigen wir schneller aus der Braunkohle aus, wenn es länger dauert, werden wir Kohle länger brauchen“, sagte Gerber. „Eine Jahreszahl zu nennen, wäre blauäugig.“ Ein neues Kohlekraftwerk werde zudem aufgrund von Bundesgesetzen genehmigt. Wie die SPD warnt auch Christoffers seine Parteifreunde vor der Versuchung, den Koalitionsvertrag zu einem früheren Kohleausstieges umzuinterpretieren, zumal sich mit dem Atomausstieg die Situation geändert hat: „Der Koalitionsvertrag sieht keinen Kohle-Ausstieg 2020 oder 2025 vor.“ 

Linke verweisen dagegen darauf, dass laut Vertrag neue Kraftwerke nur bei „drastischer Reduktion des C02-Ausstoßes genehmigt werden“. Aber was heißt „drastisch“?

Unterstützung bekam Tack von den Grünen. Der energiepolitische Sprecher der Grünen Michael Jungklaus sagte, Tack habe mit der Forderung nach dem Verzicht auf ein neues Kraftwerk in Jänschwalde Recht. Klimaschutz müsse in der Energiestrategie Vorrang haben. Christoffers vernachlässige das.

Eine Vorentscheidung darüber, wer sich durchsetzt, fällt bald. Am Freitag wird die regierungsinterne interministerielle Arbeitsgruppe erste Weichen dafür, stellen, wie es weiter geht. Nach PNN-Informationen werden weder Christoffers noch die SPD-Seite im Kabinett einer Reduzierung der Ziele für die Senkung der Kohlendioxid-Emissionen unter eine Grenze nicht zustimmen, die einen möglichen Neubau für Jänschwalde ab 2020 bereits jetzt ausschließt.

So hängt alles davon ab, wie die Linken sich aufstellen. Und das ist unklar. Denn die Linke geht gleich mehrfach gehandicapt in diese Auseinandersetzung, die ihr Profil berührt. Eine für eine Regierungspartei nötige abgestimmte Koordination und einheitliche Linie von Vize-Regierungschef, Landespartei, Fraktion und in dieser Frage auch noch gespaltenen Ministerriege ist nicht zu erkennen, wie jüngst selbst ein Linke-Gutachten diagnostizierte. Der Landesverband steht gerade vor einem Führungswechsel. Der scheidende, aber noch einflussreiche Landeschef Thomas Nord hat die Partei zwar in das rot-rote Bündnis geführt, aber in der Energiepolitik auf einen Kohelausstiegskurs – und hier in die schwerste Niederlage. Unter seiner Ägide hatte sich die Linke am landesweiten Volksbegehren von Grünen und Umweltverbänden gegen neue Tagebaue beteiligt. Das war kläglich gescheitert. Der designierte neue Parteichef Stefan Ludwig wiederum hat sich bislang nicht klar positioniert. So wurde jetzt von allen Seiten aufmerksam registriert, dass er im Linke-Parteiblatt „Neues Deutschland“ einer Konfrontationspolitik gegenüber der SPD eine Absage erteilte.

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