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Brandenburg: Rot-Rotes Vabanquespiel

Thorsten Metzner

Stand:

In der Mark ist manches anders als im notorisch aufgeregten Berlin. Das politische Klima ist milder, so dass man von einem Paukenschlag sprechen kann: Dagmar Ziegler, die unauffällige SPD-Sozialministerin, will sich zur Landtags- und Bundestagswahl 2009 aus dem Kabinett von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) verabschieden. Die 47-Jährige, die aus der auf Dauer provinziellen Langeweile des Landes flüchten und/oder das Risiko vermeiden mag, nicht wieder Ministerin zu werden, geht lieber als Hinterbänklerin aus der Prignitz in den Bundestag. Aber sie hat, ein Politikum, den Abgang mit einer dramatischen Warnung vor Rot-Rot verbunden. Ist Brandenburg längst auf dem Weg zum Berliner Modell?

Ja, der märkische Genosse Trend marschiert in diese Richtung, zumindest auf den ersten Blick. Potsdams nach neun Jahren müde gewordene Große Koalition zeigt Stagnations-Erscheinungen. Innovative, mutige Ansätze für den weiter nötigen Umbau des Landes sind rar. Die Union ist nach der Ära des Jörg Schönbohm ein Pulverfass, jederzeit können Machtkämpfe wieder ausbrechen. Die pragmatischer gewordenen Linken legen in den Umfragen zu, sie haben zuletzt mit Volksinitiativen für ein Sozialticket, kostenlose Schulbusse, aber auch zum Ausstieg aus der Braunkohle die politische Agenda bestimmt, die SPD in die Defensive gedrängt. Zudem beginnt die Stimmung hin zu Rot-Rot zu kippen. Was dagegen spricht?

Die erfolgsverwöhnte Landes-SPD hat trotz Platzecks Autorität neuerdings auch im bisher „roten“ Brandenburg Mühe, sich gegen den Abwärtssog der Bundespartei zu behaupten. Da tun sich die Genossen, allen voran Platzeck selbst, noch schwerer mit der linken Konkurrenz. Aus politischen Gründen, es gibt mentale und kulturelle Gräben, aber auch aus menschlich-persönlichen Abneigungen. Anders als in Berlin wirkt hier auch keine Logik, die Ex-PDS für die innere Einheit des Landes einzubinden.

Mehr noch: In aller Schärfe hat Ziegler auf einen Faktor hingewiesen, der im Wahlkampf stärker in den Mittelpunkt rücken wird – die DDR-Vita des linken Spitzenpersonals. Dass Links-Fraktionschefin Kerstin Kaiser und Landeschef Thomas Nord frühere Stasi-IMs sind mag mehr als ein Jahrzehnt bekannt sein. Im Wahljahr 2009 – dem symbolträchtigen 20. Jahrestag des Mauerfalls – wird der Umgang damit noch einmal brisant und alle Parteien in Zwänge bringen. Platzecks SPD, die aus Machtkalkül mit beiden Koalitions-Optionen jongliert, CDU und Linke gegeneinander ausspielt, wird Farbe bekennen müssen. Die Linkspartei sowieso, die nach 19 Jahren Opposition um den Preis ihres langfristigen Überlebens im Land nicht riskieren kann, Rot-Rot an unsensibler Personalpolitik scheitern zu lassen. Nicht einmal die Christdemokraten sind frei für diese Auseinandersetzung. Schon jetzt gespalten, dürfte es die Union kaum aushalten, mit dem heutigen Landeschef Ulrich Junghanns als Spitzenkandidat in den Wahlkampf zu ziehen – und sich dessen Karriere in einer SED-Blockpartei vorhalten zu lassen. Nun hat Matthias Platzeck, der Regierungschef und frühere Bürgerrechtler, zwar die versöhnende Richtung vorgegeben, dass für ihn vor allem das demokratische Engagement in den letzten beiden Jahrzehnten zählt.

Trotzdem sind angesichts dieser Gemengelage selbst im ruhigen Brandenburg politische Turbulenzen und emotionale Aufwallungen nicht ausgeschlossen, die den Wahlkampf und die Regierungsbildung danach unberechenbar werden lassen können. Sicher ist im Moment nur, dass in Brandenburg alles möglich bleibt, vielleicht auch Rot-Rot.

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