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Brandenburgs neue Koalition: Rot-schwarz-roter Nervenkitzel

Am Dienstag fällt die Entscheidung über Brandenburgs Koalition nach einer weiteren Sondierung mit der CDU – die Linke schöpft Hoffnung auf eine Neuauflage von Rot-Rot.

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Potsdam - Es ist der Tag vor seiner Koalitionsentscheidung. Und doch nimmt sich Dietmar Woidke Zeit. Viel Zeit sogar für diesen Termin, der offenbar Pflicht ist für Regierungschefs in Brandenburg. Und erst recht, wenn man wie er mal Agrarminister war. Also lässt er sich am Montag im Potsdamer Arkona-Hotel die schönsten Erntekronen überreichen, die märkische Landfrauen auf dem Dorf- und Erntefest in Fürstlich-Drehna geflochten haben. Aus Gerste, Hafer, Roggen. Und Woidke ist blendend drauf, er herzt und scherzt, bis Agrarminister Jörg Vogelsänger (SPD) unkt: „Ein gut gelaunter Chef. Was Besseres kann einem ja nicht passieren.“ Ob es sein schönster Termin an diesem Tag sei, wird er gefragt: „Als Ministerpräsident hat man doch nur schöne Termine. Deshalb ist das Amt ja so begehrt.“ Nur mit wem er koalieren will, das lässt sich Brandenburgs Regierungschef auch hier nicht entlocken. Obwohl selbst Landtagspräsident Gunther Fritsch (SPD) launig danach fragt. „Noch wird sondiert. Morgen wird entschieden“, sagt Woidke, ehe er, gestärkt durch gebratenen Havelzander, zur vorletzten Sondierungsrunde eilt. Zu der mit den Linken, am Dienstag ist noch mal die CDU dran, ehe auf seine Empfehlung am Abend erst der SPD-Landesvorstand entscheiden wird, mit wem Koalitionsverhandlungen aufgenommen werden.

Und doch verdichten sich Signale, dass es eher in Richtung CDU geht. Das kann man schon an den Gesichtern der Linke-Verhandler ablesen, die am Nachmittag in der Staatskanzlei im Beratungsraum neben dem Kabinettssaal Platz nehmen. Die Linken werden, dies ist klar, noch einmal alles versuchen, einen Weg für eine Fortsetzung der rot-roten Koalition zu finden. Nach den Regierungsjahren, in denen man so viel gemeinsam litt und stritt, sich aufeinander verlassen konnte. Sie wissen, dass es eng wird. „Vielen Dank für die Anteilnahme!“, sagt Woidke, ehe er die Journalisten rausschickt. Da erwidert Vize–Regierungschef Helmuth Markov (Linke) ironisch-sarkastisch: „Über Totgesagte sagt man nichts Schlechtes.“

Aber so weit ist es nicht. Als nach drei Stunden alles vorbei ist, ist bei den Linken wieder Hoffnung spürbar. Man sei „schon sehr tief in die Details der mittelfristigen Finanz- und Personalplanung gegangen“, sagt SPD-Generalsekretärin Klara Geywitz, als sie gemeinsam mit Linke-Parteichef Christian Görke vor die wartenden Journalisten tritt. Sie wird gefragt zur linken Ex-Fraktionschefin Kerstin Kaiser, die in der Linken Selbstkritik bei der Aufarbeitung der Wahlniederlage vermisste und einen Ausschluss von Ministeramt und Parteivorsitz forderte, was einem Angriff auf Görke gleichkam – bei der knappen rot-roten Mehrheit im Landtag ein Faktor. Sie habe deshalb mit Kaiser telefoniert, antwortet Geywitz. Diese habe versichert, dass sie eindeutig für eine Fortsetzung von Rot-Rot sei.

Es war die letzte Sondierung mit den Linken, alles kam auf den Tisch. Innere Sicherheit. Die Bildungspolitik, die Energiepolitik. In beiden Feldern gibt es die größten Differenzen. Die Linken hatten etwa zum Einstieg in längeres gemeinsames Lernen pragmatische Kompromisslinien entwickelt. Von Gegensätzen, gar unüberbrückbaren, sprechen danach weder Geywitz noch Görke. „Es war eine gute Sondierung“, sagt der Linke-Parteichef, der die Chancen am Freitag bei „Fifty-Fifty“ gesehen hatte und nun den Eindruck hat: „Es hat sich nicht verschlechtert, eher verbessert.“ Denn, so formuliert er, „wenn die Inhalte stimmen, ist es möglich, dass das rot-rote Koalitionsprojekt weitere fünf Jahre arbeiten kann“. Die Entscheidung darüber aber liegt allein bei der SPD, für die Rot-Rot nie ein Projekt war.

Und so ist auch Generalsekretärin Geywitz bemüht, nicht den Eindruck entstehen zu lassen, dass Rot-Rot bereits besiegelt worden sei. Denn am heutigen Dienstag findet ab Nachmittag in der Staatskanzlei die Schlussrunde statt, mit dem von CDU-Partei- und Fraktionschef Michael Schierack geführten Verhandlungsteam der Union. In dieses Gespräch gehen Woidke und die anderen Verhandler mit dem ausverhandelten Linke-Sondierungsergebnis. Noch geht der rot-schwarz-rote Nervenkitzel um Brandenburgs künftige Koalition weiter.

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