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Von Alexander Fröhlich: Rückblick auf den Brandenburger Weg

Vor 20 Jahren konstituierte sich der erste freigewählte Landtag nach der Wiedervereinigung

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Potsdam - Brandenburgs Landtag feiert sich selbst. Mit einem ökumenischen Gottesdienst und einem Festakt im Potsdamer Nikolaisaal erinnerten am Dienstag die Landtagsabgeordneten gemeinsam mit 600 Gästen aus Politik, Wirtschaft, Sport und Kultur an die Gründung des Landes und die erste Sitzung des Parlaments vor genau 20 Jahren – am 26. Oktober 1990. Nach 44 Jahren zum Teil in Diktatur hatten die Brandenburger erstmals wieder in freier Wahl einen Landtag bestimmt. So geriet die Feier zu einem Rückblick auf den Weg von der „kleinen DDR“ unter Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD), die mit Arbeitslosigkeit, zusammenbrechender Industrie und dramatischer Abwanderung zu kämpfen hatte, hin zu einer der dynamischsten Regionen des heutigen Deutschlands. „Die Aufbruchstimmung und die hektische Aufbauphase haben wir hinter uns gelassen und das Alltagsgeschäft hat uns eingeholt“, sagte Landtagspräsident Gunter Fritsch.

Festredner Hans Otto Bräutigam, einst Leiter der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik in der DDR und von 1990 bis 1999 parteiloser Justizminister in Brandenburg, erinnerte an „Schwierigkeiten und Konfrontationen“, aber auch an Persönlichkeiten wie die verstorbene, für ihre lose Zunge bekannte frühere Sozialministerin Regine Hildebrandt (SPD). „Es gab Rückschläge und Mängel, die wohl unvermeidlich waren“, sagte Bräutigam, etwa bei der Landesverfassung von 1992, beim Streit um den Religionsunterricht und die bei einem Volksentscheid 1996 gescheiterte Fusion mit Berlin. „Ich habe weiter eine leise Hoffnung auf eine Fusion, diesmal von unten“, sagte Bräutigam den PNN. Der Weg über eine immer engere Zusammenarbeit beider Länder etwa durch gemeinsame Behörden sei heute aussichtsreicher. Landtagspräsident Fritsch sagte: „Mit der Liebeshochzeit hat es zwar leider nicht geklappt, aber die wilde Ehe funktioniert nachweislich sehr gut.“

Angesichts der wegen Stasi-Verstrickungen vor knapp einem Jahr turbulent gestarteten ersten rot-roten Landesregierung war Brandenburgs ganz eigener Umgang mit der Vergangenheit zentrales Thema beim Festakt – und immer wieder, wegen seiner Kontakte zur Staatssicherheit auch Stolpe.

Der erste Landtagspräsident Herbert Knoblich erinnerte an den heute umstrittenen „Brandenburger Weg“ der Stolpe-Ära, als Konsens und parteiübergreifende Zusammenarbeit angesagt waren. Es war jene Zeit, die jetzt eine Enquete-Kommission zum Umgang mit der SED-Diktatur untersuchen soll. Denn nach 1991 hatte es keine Stasi-Überprüfung der Abgeordneten mehr gegeben, ein Fehler, wie auch Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) längst eingestehen musste. Der hält die neue Aufarbeitungs-Beauftragte, die frühere Bürgerrechtlerin Ulrike Poppe, wie auch die Enquetekommission für zwar wichtig, wie er beim Festakt sagte, konnte sich einen Seitenhieb aber nicht verkneifen: „Die nachrückende Generation erwartet von uns nicht nur die Aufarbeitung der Vergangenheit, sondern vor allem klare Aussagen zur Zukunft.“ Die besten Erfahrungen der Stolpe-Ära hätten Brandenburg stark gemacht.

Von dieser Vergangenheit, auch den Wirren der ersten Jahre, nimmt das Parlament langsam Abschied. „Einigkeit und Recht und Freiheit“ statt „Steige hoch du roter Adler“ – nicht die von Stolpe einst protegierte inoffizielle Landeshymne „Märkische Heide“, sondern das Deutschlandlied wurde beim Festakt gespielt. Und vom Brauhausberg in Potsdam, dem früheren Sitz der SED-Bezirksleitung, zieht der Landtag in drei Jahren hinunter in die historische Mitte der Stadt, zum Volk – in den Neubau des früheren Stadtschlosses.

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