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Rares Gut. Streusalz kann  zumindest wenn die Lager zu klein sind und der Winter mit Schnee daher kommt  knapp werden. Brandenburg ergeht es derzeit so.

© dpa

Von Alexander Fröhlich: Salzmangel: Straßensperrungen drohen

Die Geschichte wiederholt sich: Wie im vergangenen Winter geht Brandenburgs Landesbetrieb das Streusalz aus

Stand:

Potsdam - Im Land Brandenburg könnten am Weihnachtswochenende wegen der extremen Wetterlage Straßen gesperrt werden. Dem Landesbetrieb Straßenwesen – zuständig für rund 10 800 Kilometer Bundesfern- und Landestraßen, darunter rund 800 Kilometer Autobahn – geht das Streusalz aus. „Die Lage ist ernst und hoffnungslos“, sagte Vorstandschef Hans-Reinhard Reuter den PNN. „Im schlimmsten Fall drohen Sperrungen, weil die Straßen nicht mehr gesalzt werden können.“ Grund seien akute Lieferengpässe deutschlandweit. Zwar habe der Lieferant am gestrigen Donnerstag noch einmal geliefert, aber weniger als vertraglich vereinbart. Zudem weigere sich das Unternehmen, über die Feiertage Nachschub zu bringen. Daher könnte der Vorrat in den 45 Straßenmeistereien landesweit am Sonntag, dem zweiten Weihnachtstag, erschöpft sein. Im äußersten Notfall müssten bei Glatteis, starkem Schneefall und Verwehungen einige Straßen oder Autobahnabschnitte gesperrt werden. Der zuständige Infrastrukturminister Jörg Vogelsänger (SPD) bezeichnete diesen Schritt aber als „ultima ratio“, als letztmögliche Lösung. Der Bund ist eingeschaltet und verhandelt mit den Salzherstellern.

Allerdings gerät Vogelsänger auch politisch unter Druck. CDU-Verkehrsexperte Rainer Genilke warf dem Minister „unzureichende Vorbereitungen für den Winterdienst“ vor. Dieser müsse umgehend eingreifen. „In Anbetracht der Erfahrungen des letzten Winters“ hätte man mit dem Problem rechnen müssen. „Brandenburg versinkt im Schnee, der Verkehrsminister schaut zu.“ Auch im Ministerium wird mit einer heiklen „Manöverkritik“ gerechnet. Landesbetriebs-Chef Reuter drängt auf zusätzliches Geld. „Das ist der dritte harte Winter. Dann müssen die Landespolitiker mehr Haushaltsmittel freisetzen“ – etwa für extra Lagerhallen.

Vor der Wintersaison waren die 47 Lagerhallen des Landesstraßenbetriebes mit 45 000 Tonnen Streusalz gefüllt. Das habe bei normaler Witterung für mindestens einen halben Winter gereicht, sagte Reuter. Es habe auch schon Winter gegeben, in denen nur 20 000 Tonnen Salz gebraucht wurden. In diesem Jahr waren die Vorräte so angelegt, dass die Straßenmeistereien bei Lieferengpässen drei weitere Tage damit auskommen. Allerdings war das Salz schon in den vergangenen Woche knapp geworden. Bereits seit Montag setzen die Räumtrupps Salz nur noch auf Autobahnen, wichtigen Bundes- und Landesstraßen sowie Gefahrenstellen ein. Nun verschärft sich die Lage weiter. Auf den Autobahnen soll – so lautet die interne Direktive – nur noch auf den rechten Fahrstreifen Salz gestreut, die Überholspur nur noch geräumt werden.

Auch aus Kreisen der Landesregierung wurde Kritik laut, der Landesbetrieb habe sich nicht ausreichend auf den Winter vorbereitet und zu wenige Vorräte angelegt. Zumal bereits im vergangenen Winter Salzmangel geherrscht habe. Ein Sprecher des Infrastrukturministeriums verteidigte das Vorgehen: „Man wird Wetterextreme nie bis ins Letzte aussteuern können. Sonst gibt es eine riesige Vorratshaltung, die man nicht braucht.“ Die Dimensionen des aktuellen Schneerekords „kriegen sie nicht mehr gestemmt“. Der Straßenbetrieb habe aber „für einen Winter in den Dimensionen des vergangenen Jahres“ geplant und Salz bestellt. Auch Reuter sagte: „Wir könne nie genau vorhersagen, wie viel wir brauchen, wir können nur hochrechnen. Wenn Lieferungen ausbleiben, ist das wie Russisches Roulette.“

Der Salzhersteller K+S AG mahnte zur Gelassenheit. „Wir sind wohl mehr in der Nähe einer gefühlten, als einer tatsächlichen Katastrophe“, sagte eine Unternehmenssprecher. Er begründete den Lieferengpass mit extrem großer Nachfrage. Brandenburg sei aber besonders betroffen. Die Lieferung aus den Salzbergwerk in Bernburg (Sachsen-Anhalt) laufe schleppend. Grund seien Güterzugausfällen. Die Deutsche Bahn AG habe zugesagt, die im Zuge des Castor-Transports von Atomkraftgegnern verursachten Schäden an der Bahnstrecke – gestörte Signale etwa – schnellstmöglich zu beheben. Allerdings beziehen auch Kommunen Salz aus Bernburg, die Lager der Stadt Potsdam waren gestern nach offiziellen Angaben „gut gefüllt“, was angesichts der angespannten Lage beim Landesbetrieb brisant ist. Potsdam habe einfach „beim Lieferanten auf die Tränendrüse gedrückt“, sagte Stadtwerke-Mitarbeiter.

Aktuell seien die Leistungsgrenzen erreicht, hieß es gestern bei der K+S. Dabei seien die Lagerkapazitäten erhöht und die Produktion hochgefahren worden. Selbst die Kunden hätte sich „im Durchschnitt um 20 bis 30 Prozent besser bevorratet“. Wegen großer Nachfrage seien zusätzliche Lieferungen einer Tochter in Chile geordert worden, „die ersten Schiffe sind schon in Europa“, hieß es. (mit es)

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