Brandenburg: Saubere Luft – für China
Wirtschaftsminister Junghanns glaubt trotz Kritik an die Braunkohle , die Wissenschaft an Exportchancen
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Potsdam - Brandenburgs Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU) hat gestern die aktuelle Ölkrise zum Anlass genommen, erneut auf den Einsatz heimischer Braunkohle zu setzen – und ist damit in Politik und Wissenschaft nicht auf ungeteilte Zustimmung gestoßen. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) verwies in Potsdam gegenüber den PNN darauf, dass Brandenburg vor allem seine „sehr großen Chancen“ beim Einsatz erneuerbarer Energien und bei der Entwicklung entsprechender Technologien nutzen solle. Schließlich sei der Kohleabbau nicht weiter ausbaubar, so Gabriel während eines Besuchs des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). „Der brandenburgische Wirtschaftsminister sollte uns besser dabei helfen, die Industrie dazu zu bringen, ihre freiwillige Selbstverpflichtung zur Verringerung des CO2-Ausstoßes einzuhalten“, so Gabriel weiter.
Angesichts des russischen Öl-Lieferstopps hatte Junghanns im Deutschlandradio Kultur gefordert, sich wieder auf eigene Möglichkeiten und Rohstoffe zu besinnen. „Die eigenen Möglichkeiten sehe ich darin, dass wir in Brandenburg als Braunkohleland weiter mit der Braunkohle rechnen.“
Der Potsdamer Klimaforscher Friedrich-Wilhelm Gerstengarbe vom PIK verwies zwar darauf, dass die verpönte, weil klimaschädliche Kohle in einigen Jahren weltweit wieder an Bedeutung in der Strom- und Wärmegewinnung gewinnen könnte. Doch bis die Technologien für die so genannten „sauberen“ Kohlekraftwerke erforscht und zur Marktreife gebracht seien, könne in Deutschland aus wissenschaftlicher Sicht nicht ernsthaft auf Kohle gesetzt werden, so Gerstengarbe gegenüber den PNN.
Klimaforscher Gerstengarbe und Umweltminister Gabriel verwiesen zudem lakonisch darauf, dass selbst brandenburgische Braunkohle noch nicht zu Kraftstoffen für Automobile verarbeitet wird – und somit auch nicht vor ausbleibenden Öllieferungen aus Russland schütze.
Junghanns hatte im seinem Radio-Interview zwar auch auf die Notwendigkeit eines Energiemixes hingewiesen. Der energiepolitische Sprecher der PDS-Landtagfraktion, Wolfgang Thiel, verwies aber darauf, dass erneuerbare Energien „im Energieland Brandenburg noch viel zu wenig genutzt“ würden. Ähnlich äußerte sich die brandenburgische Grünen-Bundestagsabgeordnete Cornelia Behm.
Doch trotz aller öffentlicher Kritik an der auch von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) getragenen brandenburgischen Kohle-Politik – Politik und Wissenschaft verwiesen auch gestern wieder inoffiziell auf einen anderen wichtigen Aspekt der heimischen Kohle: den Technologie-Export. Die Entwicklung von umweltfreundlicheren Techniken zur Kohleverbrennung und -verstromung schaffe weltweit enorme Marktchancen für deutsche Forscher und Unternehmen .
In Brandenburg werden derzeit an zwei Orten Techniken erprobt, die der Kohle zu einem besseren Image und der Industrie zu Exportchancen verhelfen sollen.
Der Energiekonzern Vattenfall baut in Schwarze Pumpe derzeit die Pilot- und Forschungsanlage für einen neuartigen Typ von Kohlekraftwerken. Anders als bei herkömmlichen Kohlekraftwerken will Vattenfall das bei der Verbrennung anfallende Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) aus der Abluft abtrennen, so dass es später eingelagert werden kann. Das CO2 würde dadurch nicht in die Atmosphäre gelangen.
Wie das aus der Abluft getrennte Kohlendioxid „endgelagert“ werden könnte, erforscht das GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ) in Ketzin (Potsdam-Mittelmark). Auf dem Gebiet einer vormals unterirdischen Gasspeicherstätte sollen in 600 Metern Tiefe mehrere Zehntausend Tonnen CO2 in eine Sandsteinschicht gepresst und dann messtechnisch überwacht werden. Natürliche Ton- und Gipssteinschichten umgeben die Speicherschicht und sollen ein Austreten des Kohlendioxids verhindern. An dem Projekt namens „CO2SINK“ sind 45 internationale Forschungsinstitutionen und Industrieunternehmen beteiligt.
Bis beide Techniken allerdings einsatzbereit sind, seien allerdings in Brandenburg die Kohlelagerstätten fast ausgebeutet. Energiepolitisch, so Klimaforscher Gerstengarbe, sei die Kohle in Brandenburg langfristig ein Auslaufmodell, technologisch aber ein Zukunftsprojekt. Auch der Direktor des PIK, Hans Joachim Schellnhuber, der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Klima- und Umweltfragen berät, sieht dies ähnlich.
Zusammengefasst bilanzieren beide die brandenburgische Kohle-Politik so: Die heimische Kohle wird weitgehend klimakillend verheizt werden. Aber die hiesige Technologieforschung wird in China, Indien und Nordamerika dafür sorgen, dass dort die Luft besser und weltweit das Klima in zwanzig Jahren weit weniger geschädigt wird. Peter Tiede
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