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Brandenburg: Saudischer Rückzug

Ein Diplomat verursachte im Juni den Tod eines Radfahrers. Jetzt musste er Berlin verlassen

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Berlin - Der saudische Diplomat, der Mitte Juni in Neukölln einen tödlichen Verkehrsunfall verschuldet hatte, hat Berlin verlassen. Dies verlautete jetzt aus dem Auswärtigen Amt. Der 51-jährige Diplomat hatte in der Hermannstraße mit seinem Porsche Cayenne im absoluten Halteverbot gestanden. Dann öffnete er, ohne nach hinten zu sehen, die Fahrertür. Ein 55 Jahre alter Radfahrer fuhr gegen die Tür und stürzte auf die Fahrbahn. Michael E. starb kurz darauf an seinen Kopfverletzungen. Der Unfall löste große Empörung aus – auch weil dem Diplomaten keinerlei Strafen drohen. Die Staatsanwaltschaft stellte das Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung mit Todesfolge bereits nach acht Tagen ein, nämlich am 21. Juni.

Dass der Diplomat Deutschland verlassen musste, ist das Ergebnis wochenlanger Verhandlungen zwischen der Botschaft und dem Auswärtigen Amt – sehr selten wird so „hart“ reagiert. 2004 war der damalige bulgarische Botschafter alkoholisiert Schlangenlinien gefahren. Als die Polizei ihn nach einer Verfolgungsfahrt stoppte, fuhr er plötzlich wieder an und verletzte dabei einen Polizisten. Er wurde von seiner Regierung auf Druck des Auswärtigen Amtes „abgelöst“. Der Fall war nur durch Zufall bekannt geworden – denn die Polizei hält Missetaten von Diplomaten geheim.

Durch die „Immunität“ sollen Diplomaten vor der Willkür der Regierungen im Gastland geschützt werden. Von manchen Botschaftsangehörigen wird diese privilegierte Stellung rücksichtslos ausgenutzt, vor allem im Straßenverkehr. Diplomaten aus Saudi-Arabien gehören zu den schlimmsten Sündern. 2016 registrierte die Polizei 22 882 Verkehrsverstöße durch Diplomatenfahrzeuge – ausnahmslos alle Knöllchen wanderten in den Mülleimer. Zahlen zu Straftaten von Botschaftsangehörigen gibt es gar nicht.

Mehrere Jahre lang war Saudi-Arabien an erster Stelle der Sünder auf der jährlich von der Innenverwaltung veröffentlichten Knöllchen-Statistik. 2016 war das arabische Land von China auf den zweiten Platz verdrängt worden. Allerdings hat China 50 Prozent mehr Fahrzeuge, nämlich 120. Die Botschaft Saudi-Arabiens hat 80 Fahrzeuge, die an der Ziffernkombination „118“ zu erkennen sind. Genaue Zahlen nennt die Innenverwaltung in ihrer Statistik „Ermittlungen gegen Angehörige des diplomatischen Dienstes“ aus Sorge vor außenpolitischen Verwicklungen nicht. Jörn Hasselmann

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