Brandenburg: Schallschutz spaltet BER-Eigentümer
Brandenburg will Rücknahme des „Klarstellungsantrages“, Bund stellt sich quer – im Aufsichtsrat droht ein neuer Eklat
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Potsdam - Im Aufsichtsrat des Flughafens droht erneut ein Showdown zum Schallschutz um den Hauptstadt-Aiport. Brandenburgs Ministerpräsident und Vize-Aufsichtsratschef Matthias Platzeck (SPD) wird auf der heutigen Sitzung beantragen, dass die Flughafengesellschaft (FBB) ihren im April eingereichten umstrittenen Antrag auf nachträgliche Verschlechterung des Planfeststellungsbeschlusses zu Ungunsten von 40 000 Anwohnern zurückzieht. Doch nach PNN-Recherchen ist es trotz intensiven Abstimmungen der letzten Tage ungewiss, ob Brandenburg durchkommt – oder wie bei der letzten Sitzung am Veto des Bundes und Berlins scheitert. Die Chancen seien „fifty-fifty“, hieß es am Mittwoch. Im von Linke-Finanzminister Helmuth Markov geleiteten Finanzausschuss des Aufsichtsrates stand Brandenburg vor einigen Tagen damit jedenfalls erneut allein. Berlin scheint einzuschwenken.
Doch am hartnäckigsten wehrt sich der Bund, der beim Lärmschutz für den BER einen Präzedenzfall für andere deutsche Flughäfen befürchtet. Im Vorfeld hatte Platzeck in einem Brief an alle Aufsichtsräte um Zustimmung geworben, dies mit „verlorenem Vertrauen“ in der Bevölkerung, aber auch juristisch geringen Erfolgsaussichten begründet.
Scheitert Brandenburg, wäre dies ein Politikum. Denn das Schutzniveau von täglich sechs zulässigen Überschreitungen des Zimmerlautstärkepegels durch Fluglärm, das die FBB mit dem Antrag immer noch legalisieren will, war im bislang realisierten Schallschutzprogramm in allen 16 000 Bewilligungen eigenmächtig bereits als Grundlage genommen worden. Potsdams Staatsanwaltschaft prüft deshalb zurzeit, ob Betrugs-Ermittlungen gegen Flughafenchef Rainer Schwarz und andere Verantwortliche eingeleitet werden.
Das Programm muss jetzt wiederholt werden, nachdem das Oberverwaltungsgericht (OVG) dies als „systematischen“ Verstoß gegen den Planfeststellungsbeschluss gerügt hat, der laut OVG keine einzige Pegelüberschreitung zulässt. Allerdings hat, wie Brandenburgs Behörde jetzt mahnte, eine Überarbeitung der Fehlbescheide noch nicht begonnen - was der Flughafen juristisch immer noch verhindern will. Brandenburg unterstützt das sogar.
Es geht um enorme Vermögenswerte. Pro Wohnung stehen bislang im stets unterfinanzierten BER-Etat für Schallschutz lediglich 5000 Euro zur Verfügung, wurde den Eigentümern nach dem OLG-Standard 60 000 Euro vorenthalten, insgesamt ein Volumen von 591 Millionen Euro.
Immer noch um rund 30 000 Euro pro Wohnung, insgesamt um 300 Millionen Euro, müsste das Programm aufgestockt werden, wenn sich Brandenburg mit seiner an die Rücknahme des „Klarstellungsantrages“ gekoppelten „Kompromisslinie“ durchsetzt, den Planfeststellungsbeschluss weniger eng auszulegen als das OVG.
Was Fluglärm bedeutet, kann Flughafenchef Rainer Schwarz am Sonntagvormittag in seiner Wohnung am Babelsberger Griebnitzsee persönlich erleben. Eine Bürgerinitiative hat eine Boots-Demonstration – samt 85 Dezibel-Fluglärm aus Lautsprechern – angemeldet, nachdem man kürzlich bereits vor dem Wohnhaus von Ministerpräsident Matthias Platzeck so die Fluglärmbelastungen simulierte.
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