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Rechter Bürgermeister in Brandenburg: Schimpf und Recht in Jüterbog
Der umstrittene und rechte Bürgermeister der brandenburgischen Stadt Jüterbog hatte kein Problem damit, Rassist genannt zu werden. Aber wer das auch macht, gegen den geht Arne Raue vor. Bislang mit wenig Erfolg.
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Jüterbog/Potsdam - Der umstrittene Bürgermeister von Jüterbog, Arne Raue, will nicht als Rassist beschimpft werden – und geht deshalb dagegen vor. Bislang hatte er damit aber wenig Erfolg. In einem Fall ist unklar, ob die von Raue angekündigte Eil-Zivilklage gegen den Bundestagsabgeordneten Norbert Müller (Linke) überhaupt eingereicht wurde. In einem anderen Fall scheiterte nach einer Strafanzeige des Bürgermeisters die Staatsanwaltschaft mit einer Anklage gegen eine Privatperson aus Jüterbog. Ausgestanden ist die Sache allerdings nicht.
Jüterboger auf Raues Facebookseite: "Du kleiner Rassist"
Nach verschiedenen Vorfällen war Raue als Rassist beschimpft worden. Los ging es, nachdem Raue im Herbst 2015 unter einer fälschlichen Berufung auf die Einschätzung einer Ärztin „selbst vor geringfügigen Kontakten mit Neuankömmlingen", also Flüchtlingen, gewarnt hatte, weil diese Infektionskrankheiten, etwa Tuberkulose, übertragen würden. Ein Jüterboger schrieb Raue im Januar 2016 eine Nachricht über das soziale Netzwerk Facebook, unter anderem mit den Worten: „Du kleiner Rassist“. Die Kommentare auf Raues Facebook-Seite sollten diesem „bewusst machen, wem Sie hier tagtäglich eine Plattform für Hass, Vorurteile und Verallgemeinerungen bieten“, schrieb der Jüterboger damals.
Raue ließ das nicht auf sich sitzen und zeigte den Bürger seiner Stadt an, „da ich mich nicht als Rassist betiteln lasse und keine Plattform für Hass biete“, wie der Bürgermeister dem Bürger damals zurückschrieb. Die Staatsanwaltschaft Potsdam erhob Anklage gegen den Mann. Doch das Amtsgericht Luckenwalde entschied kürzlich anders: Es ließ die Anklage wegen Beleidigung und damit den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Eröffnung eines Prozesses nicht zu.
Raue sagte den PNN: "Ich kann damit leben, als Rassist beschimpft zu werden"
Den Grund für den Beschluss des Amtsgerichts hat Raue ebenfalls selbst geliefert. Denn den PNN hatte er im Herbst 2015 zu seiner Krankheitswarnung vor Flüchtlingen gesagt: „Ich kann inzwischen damit leben, als Rassist beschimpft zu werden, da bin ich stressfrei.“ Offenbar hat der parteilose Bürgermeister doch Stress damit. Er war aber nie gegen den damaligen PNN-Bericht und die darin zitierten Worte vorgegangen.
Das Amtsgericht befand, dass der Straftatbestand der Beleidigung durchaus erfüllt sei, wenn Raue als "kleiner Rassist“ bezeichnet werde. Allerdings sei diese Beleidigung durchaus gerechtfertigt. Einerseits durch Raues eigenen Äußerung in dieser Zeitung, andererseits habe der angeschuldigte Jüterboger berechtigte Interessen wahrgenommen.
Raue verglich Asylbewerber mit Hühnern
Die Bezeichnung als „kleiner Rassist“ stehe im Zusammenhang mit der von Raue damals angestoßenen öffentlichen Debatte über in Deutschland lebende Flüchtlinge. Konkret durch die Warnung Raues vor Flüchtlingen, aber auch durch entsprechende Äußerungen Raues bei Facebook, als er Asylbewerber mit Hühnern verglich. Auch darüber hatten die PNN berichtet. Raue schrieb im Juni 2015 bei Facebook: „Ich musste diese Woche die Haltung meiner Hühner bei gleich mehreren Behörden anmelden. Kann mir bitte bei mehreren Hunderttausend nicht registrierten Menschen in Deutschland das erklären.“
Bei der Bewertung der Anklagevorwürfe müsse daher laut Amtsgericht das „Ausmaß der Betroffenheit der widerstreitenden Interessen“ berücksichtigt werden, aber auch der Anlass und der Rahmen. Daher spiele auch eine Rolle, „ob der Beleidigte selbst einen Grund für seine Ehrherabsetzung“ lieferte oder sogar provozierte. Bei einer solchen „reaktiven Verknüpfung“ zwischen dem „Vorverhalten des Beleidigten“ und der „ehrrührigen Äußerung“ sei dies bei der Abwägung von Gewicht. Dem Beleidigenden werde damit ein „sogenanntes Recht zum Gegenschlag“ gewährt. Dies gestatte eine „adäquate Reaktion auf das Verhalten des Beleidigten“, die im Einzelfall auch eindringliche und drastische Äußerungen beinhalten dürfe. Raue habe sich „durch seine gegenüber Flüchtlingen erheblich herabwürdigenden Äußerungen selbst zum Angriffsobjekt gemacht“, befand das Gericht. Die persönliche Ehre des Bürgermeisters müsse daher gegenüber der Freiheit auf Meinungsäußerung des angeschuldigten Bürgers zurücktreten.
Im Fall des Linken Bundestagsabgeordneten Norbert Müller, der Raue „rassistische Hetze“ vorgeworfen hatte, lief Raues Vorgehen ins Leere. Raue hatte nach dem rechtsextremistischen Brandanschlag auf eine Unterkunft für minderjährige Flüchtlinge Anfang Oktober 2016 einen Zusammenhang zwischen der Gewalttat und der Flüchtlingspolitik konstruiert. Zwar hatte Raue die „verachtungswürdige“ Tat verurteilt, schrieb aber auch von „sogenannten unbegleiteten minderjährigen Neuankömmlingen“ sowie: „Die aus meiner Sicht völlig katastrophale Flüchtlingspolitik der Bundesregierung müsste bei der Bewertung derart unmenschlicher Taten auch diskutiert werden.“
Müller (Linke): Raue ist wegen Hetze mitverantwortlich für Übergriffe
Der Linke-Politiker Müller hatte danach darauf hingewiesen, dass der Anschlag nicht der erste in Jüterbog war. Im November 2015 war nach einer NPD-Demonstration bei einem Anschlag ein kirchlicher Flüchtlingstreff in Jüterbog verwüstet worden. Müller hatte nach dem Anschlag auf das Asylheim erklärt: Rassistische Hetze, wie sie von der AfD oder dem Jüterboger Bürgermeister betrieben werde, „ist mitverantwortlich dafür, dass sich potenzielle Täter zu solchen Taten ermutigt fühlen“.
Raue ging auch gegen diesen Vorwurf vor, sein Anwalt forderte Müller auf, seine Aussage zu widerrufen und nicht mehr zu wiederholen. Und er forderte überdies 5000 Euro Schmerzensgeld. Müller aber lehnte es ab, eine Unterlassungserklärung zu unterzeichnen. Die im Herbst 2016 angedrohte Konsequenz – nämlich Müller zu verklagen – blieb bisher aus. Jedenfalls erreichte Müller bislang keine entsprechende Nachricht eines Gerichts über ein Eil-Verfahren.
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