Brandenburg: Schloss-Visionen ohne Geld
Vorerst kein Neubau im Herzen von Berlin: 650 Millionen Euro sind wegen der dramatischen Geldknappheit „nicht finanzierbar“
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Vorerst kein Neubau im Herzen von Berlin: 650 Millionen Euro sind wegen der dramatischen Geldknappheit „nicht finanzierbar“ Von Wilfried Mommert und Hans-Rüdiger Bein Berlin. „Wir haben in dieser Stadt geradezu einen Kult der offenen Wunde.“ Die Worte von Antje Vollmer (Grüne) in der leidenschaftlichen Debatte des Bundestages, der sich im Sommer 2002 nach zwölfjährigem Streit in der Öffentlichkeit mit großer Mehrheit für einen Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses aussprach, waren visionär. Ihre Vision war auch, Berlin sein städtebauliches Herz wiederzugeben, wozu es aber in den nächsten Jahren nicht kommen wird. Klar ist nun, dass ein Schlossbau in der Hauptstadt für 650 Millionen Euro angesichts der dramatischen Finanzknappheit allerorten und sozialen Ängste im ganzen Land vorerst an den Realitäten scheitert. „Nicht darstellbar“, „unwirtschaftlich“ und „nicht finanzierbar“ lauten die Stichworte in der Erklärung von Kulturstaatsministerin Christina Weiss (parteilos) nach der Vorlage des Abschlussberichts der Expertenkommission „Schlossareal“ am Dienstagabend im Kanzleramt. Darin wird ein zweijähriges Moratorium empfohlen - was einen Baubeginn vor Ende des Jahrzehnts als unrealistisch erscheinen lässt, wie Experten deutlich machen. „Eine derart gewaltige Investition ist derzeit nicht angebracht“, meint Weiss. Sie spricht jetzt nur noch vage davon, dass der Neubau „eine Zukunft“ hat. „Ein Schloss um seiner selbst willen wird es aber nicht geben. Ich will auch nicht mehr mit Kompromissen hantieren.“ Ihren Namen will sie nur noch für „eine solide und seriöse Finanzplanung“ hergeben, Aussagen, die man eher vom Finanzminister gewöhnt ist und nicht von einer Kulturstaatsministerin, die doch auch für Visionen zuständig ist. Weiss erinnert an das Milliardenprojekt der Sanierung der benachbarten Museumsinsel mit Hilfe des Bundes: „Es kann nichts Neues angefangen werden, bevor nicht die Museumsinsel fertig ist.“ Die aber wird erst 2010 vollendet sein. Das wird die Ministerin auch dem Kabinett bei der Vorlage des Berichts der Expertenkommission gesagt haben. Der Bundestag wird sich erneut mit dem Projekt befassen, weil es Streit um das Nutzungs- und Finanzierungskonzept für das Schloss gibt. Laut Weiss sollte das neue Gebäude auch „zum Geldverdienen“ gut genutzt werden, doch gebe es zum geplanten „Humboldt-Forum“ mit seinen wissenschaftlichen Sammlungen und der Kunst der außereuropäischen Museen in Berlin keine vernünftige Alternative. „Ein Neubau am Schlossplatz mit weniger als 80 Prozent Kultur wäre jedoch nur eine Mogelpackung.“ Eine privat-öffentliche „Public-Private-Partnership“-Finanzierung wäre denkbar, aber zurzeit nicht finanzierbar, heißt es in dem Papier. Die daraus folgende überwiegend privatwirtschaftliche Nutzung des Gebäudes („Dönerbude hinter Barockfassade“ meinen Kritiker) über mindestens 30 Jahre würde dem vom Bundestag gebilligten Nutzungskonzept widersprechen. So wird die Neugestaltung des Platzes, „der in besonderer Weise die Geschichte unseres Landes repräsentiert“, wie es der FDP- Politiker Günter Rexrodt formulierte, noch lange auf sich warten lassen. Weiss-Vorgänger Julian Nida-Rümelin (SPD) meinte: „Die dritte deutsche Republik wird sich weder in der Kontinuität der Hohenzollern-Dynastie restaurativ noch in der Tradition von Honeckers Lampenladen nostalgisch verhalten.“ Bei dem Lampenladen, wie der DDR-Palast der Republik spöttisch genannt wurde, hat sich die Expertenkommission bereits festgelegt: Er soll „möglichst bald“ abgerissen werden. Das „Herz der Hauptstadt“ wird dann für lange Zeit ein Rasen sein.
Wilfried Mommert, Hans-Rüdiger Bein
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