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Gezeichnet: Als junge Sportlerin spitzelte IM Ines für die Stasi.

© PNN

Von Thorsten Metzner und Alexander Fröhlich: Schöneburg empört Opfer und Opposition

Linke-Justizminister verteidigt Berufung von stasibelasteter Richterin und sieht keinen Handlungsdruck

Stand:

Potsdam - Brandenburgs rot-rote Regierung gerät erneut wegen Stasi-Enthüllungen in Nöte. Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke) sorgte am Donnerstag für Empörung bei Opposition und SED-Opfern, weil er im Fall der jetzt publik gewordenen Stasi-Belastung einer Sozialrichterin aus Neuruppin nichts unternehmen will. Die heute 59-jährige Irina W. war vor 1989 eine bekannte Ruder-Leistungssportlerin. Laut Unterlagen der Stasi-Unterlagenbehörde, die den PNN vorliegen, ist Irina W. von der für die Bekämpfung der Opposition zuständigen Stasi-Abteilung XX von 1974 bis 1978 als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) „Ines“ geführt worden und hat Sportkameraden bespitzelt. Zudem hat sie sich gezielt einbinden lassen in einen sogenannten Operativen Vorgang zur Kontrolle einer Person. Schriftlich berichtete sie in den ersten Jahren etwa über Trinkgelage der Sportler und „Trainerpärchen“. Über eine andere Sportlerin schrieb sie, dass diese „nicht in jedem Fall immer ehrlich“ ist. Anderseits galt IM Ines am Ende als unzuverlässig und unergiebig, so dass die Stasi die Zusammenarbeit 1978 beendete. Heute ist Irina W. Richterin an einer Kammer, die für Entschädigungsverfahren von SED-Opfern zuständig ist.

Schöneburg sagte, dass er weder eine Möglichkeit noch die Notwendigkeit für Schritte gegen die Frau sehe. Sie habe vor ihrer Einstellung 1995 die Stasi-Tätigkeit angegeben, der Bescheid der Gauck-Behörde lag vor, sie sei im Rahmen einer Einzelfallprüfung nach Gesamtabwägung der Eignung vom Richterwahlauschuss auf Vorschlag des zuständigen Ministeriums mit Zwei-Drittel-Mehrheit gewählt worden. „Wir haben uns an Ergebnisse dieses rechtsstaatlichen Verfahrens zu halten“, sagte er. In der friedlichen Revolution von 1989 sei der Rechtsstaat eingeklagt worden, und den hätten die Leute bekommen. Es wäre fatal rechtsstaatliche Verfahren infrage zu stellen. An der Faktenlage habe sich nichts geändert.Die Einstellung fällt in die Zeit der SPD-Alleinregierung unter Ministerpräsident Manfred Stolpe. Verantwortlich war nicht der parteilose Justizminister Hans-Otto Bräutigam, sondern die damals für die Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit zuständige Arbeitsministerin Regine Hildebrandt (SPD). Jüngst hatte Schöneburg erklärt, dass drei Richter in Brandenburg tätig seien, die in der DDR hauptamtliche oder inoffizielle Stasi-Mitarbeiter waren.

Opposition, Opferverbände, aber auch die Diktaturbeauftragte Ulrike Poppe kritisierten den Fall und das Nicht-Vorgehen des Ministers als „skandalös“. Grünen-Fraktionschef Axel Vogel sagte, es sei das Mindeste, eine Richterin mit einer solchen Stasi-Belastung so einzusetzen, dass sie nicht über ehemals politisch Verfolgte urteilt. Er forderte eine Überprüfung der 82 stasi-belasteten Mitarbeiter in der Justiz und schlug dazu eine Bewertungskommission vor. Es müsse geklärt werden, ob in den Richterwahlausschüssen damals alle heute bekannten Informationen zur Stasi-Tätigkeit vorlagen. CDU- Fraktionschefin Saskia Ludwig warf Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) vor, den laxen Umgang Stolpes mit Stasi-Altlasten fortzusetzen. Gerade „weil es um Einzelfälle geht“, sei Aufklärung nötig, so Ludwig. „Sonst gerät die gesamte Justiz unter Generalverdacht.“

Der Direktor der Stasi-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, sagte, man sei in Brandenburg nachlässig mit neuen Erkenntnissen über belastete Kader in Polizei und Justiz umgegangen. „Wer ehemalige Stasi-Leute als Spitzenbeamte der Polizei arbeiten oder im Namen des Volkes Recht sprechen lässt, gefährdet das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat.“ Im Unterschied zu Polizisten könnten Richter jederzeit überprüft werden. Der Bundesvorsitzende der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft, Rainer Wagner, forderte die Offenlegung der Namen von stasibelasteten Justizbediensteten. Personelle Konsequenzen forderte auch die Vereinigung der Opfer des Stalinismus. Platzeck müsse für politische Hygiene sorgen.

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