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Brandenburg-Berlin: Schöneburg sieht Richterwahl kritisch

Justizminister enthüllt überraschende Fakten zur Übernahme eines umstrittenen DDR-Juristen

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Potsdam – Brandenburgs Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke) sieht keinerlei Handhabe, um gegen den Potsdamer Arbeitsrichter Lutz W. vorzugehen, der als DDR-Richter politische Urteile gefällt und Haftstrafen gegen Ausreisewillige verhängt hatte. Im Rechtsausschuss des Landtages präsentierte Schöneburg am Dienstag überraschende Hintergründe, wie es zur Übernahme des Richters in den Landesdienst Anfang der 90er Jahre kam. Er teilte mit, dass der damalige Justizminister Hans-Otto Bräutigam (parteilos) selbst gegen seine Einstellung war - aber vom Richterwahlausschuss 1992 überstimmt wurde.

Lutz W. hatte unter anderem 1984 die Potsdamer Filmemacher Sybille und Hannes Schönemann wegen ihres Ausreiseantrages zu Stasi-Untersuchungshaft im berüchtigten Potsdamer „Lindenhotel“ verurteilt. Die Familie hatte zwei Kinder, eins sechs, eins zehn Jahre alt, die ihre Eltern erst ein Jahr später im Westen wiedersahen. W. ist heute Kammer-Vorsitzender am Potsdamer Arbeitsgericht.

Schöneburg legte nun erstmals detaillierte Fakten auf den Tisch, nach dem er mehrfach von der Opposition aus CDU, FDP und Grünen wegen seines Umgangs mit dem vom RBB-Magazin „Klartext“ publik gemachten Fall, aber auch wegen seiner Weigerung einer neuen Stasi-Überprüfung von Brandenburger Richtern scharf kritisiert worden war.

Aber nun machte der Justizminister deutlich, dass er den Fall selbst kritisch sieht. Er verwies darauf, dass die Überprüfungskommission des Ministeriums damals auch politische DDR-Urteile von Lutz W. herangezogen hatte. Bräutigam sei daraufhin zum Ergebnis gekommen, das der Richter „nicht geeignet“ sei. Sein Fall sei trotzdem im Richterwahlausschuss behandelt worden, der ihn – ungewöhnlich – zu einer persönlichen Anhörung geladen habe. Danach sei er von diesem Gremium – vertreten waren dort alle Landtagsparteien außer der damaligen PDS sowie Vertreter der Bürgerbewegung – seine Einstellung mit Zwei-Drittel-Mehrheit befürwortet worden.

Bräutigam, aber auch der damals im Arbeitsministerium mit der Personalie befasste spätere Vizepräsident des Landesarbeitsgerichtes und Chef der Staatskanzlei Clemens Appel beugten sich dem Votum. „Es wäre sonst ein Affront gegen das demokratisch legitimierte Gremium gewesen“, sagte Schöneburg. Die Entscheidung sei nicht mehr umkehrbar.

Sie wollten nicht den Eindruck erwecken, dass die „Westverwaltung“ Beschlüsse des demokratisch legitimierten Gremiums missachtete, erklärte auch der SPD-Abgeordnete Andreas Kuhnert nach Rücksprachen. Die damalige Entscheidung sei bitter, besonders für SED-Opfer und „nicht nachvollziehbar.“ Er fügte hinzu, eine Zwei-Drittel-Mehrheit sei „nicht ohne Grün, ohne Gelb, ohne Schwarz“ möglich gewesen. In Brandenburg regierte damals eine „Ampel“ aus SPD, FDP und Bündnisgrünen, Linke und CDU waren in der Opposition.

Gegen den heutigen Arbeitsrichter gab es laut Schöneburg wegen seiner umstrittenen DDR-Urteile auch Gerichtsverfahren. Der Mann sei 1999 vor dem Potsdamer Landgericht wegen der Unrechtsurteile angeklagt worden, wo er aber freigesprochen worden sei. Der Opposition aus FDP, Grünen und FDP reichten die Erklärungen Schöneburgs nicht aus. Die FDP-Abgeordnete Linda Teuteberg sagte, die Brandenburger wollen wissen, wie die politische Klasse des Landes zu solchen Fällen stehe.

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