zum Hauptinhalt

Brandenburg: Schroeder macht bei Aufarbeitung von Rot-Rot nicht mit

Historiker tritt aus der Enquetekommission zurück, weil die Mehrheit die DDR weichzeichnen will.

Stand:

Potsdam - Es war ein kleiner Zweizeiler, den der Historiker Klaus Schroeder am gestrigen Dienstag per Email an die Vorsitzende der Enquetekommission zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Susanne Melior, schickte. „Hiermit erkläre ich mit sofortiger Wirkung meinen Rücktritt aus der Enquete-Kommission Aufarbeitung der Geschichte und Bewältigung von Folgen der SED-Diktatur und des Übergangs in einen demokratischen Rechtsstaat im Land Brandenburg“, schrieb Schroeder ohne jede Begründung. Der wissenschaftliche Leiter des Forschungsverbundes SED-Staat an der Freien Universität Berlin (FU) Berlin macht nach PNN- Informationen für seinen Rücktritt aber den Umgang der rot-roten Mehrheit in der Kommission mit Gutachtern und die Arbeit an den Abschlussberichten verantwortlich. Der Historiker selbst war nicht erreichbar.

Derzeit beraten die Mitglieder der Enquetekommission den Abschlussbericht zu einzelnen Themen. Schröder war gemeinsam mit dem Abgeordneten Thomas Günther (SPD), der schon mehrfach mit harten Angriffen auf Gutachter aufgefallen war, Berichterstatter für das Themenfeld „Geschichtsbild und allgemeine Aufarbeitung“. In einem weiteren, aber internen Schreiben teilte Schroeder nun mit: „Nachdem nun der Entwurf nebst Änderungsvorschlägen des Abgeordneten Günther vorliegt, sehe ich keine Möglichkeit mehr, weiter mitzuarbeiten. Einen Gegenentwurf zu schreiben, der dann von der Mehrheit abgelehnt wird, ist mir zu zeitaufwändig.“ Auch anderen Entwürfen für Abschlussberichte stimme er nicht zu. Er trage sich mit dem Rücktrittsgedanken schon seit der Debatte um Gutachten, „die mit üblen Herabwürdigungen von Gutachtern seitens einiger Mitglieder der Regierungskoalition einhergingen“, so Schroeder, der von der CDU-Fraktion in die Kommission berufen wurde. Ausdrücklich verwies er auf seinen Namensbeitrag in den PNN vom Juli 2011. Was er damals geschrieben habe, „dass die Mehrheit in der Kommission auch jetzt weichzeichnen will, hat sich für mich bestätigt“.

Vertreter von SPD und Linke hatten mehrfach Gutachten zum Umgang mit dem DDR-Erbe heftig kritisiert, weil „ihre Deutungshoheit über die Vergangenheit in Brandenburg infrage gestellt wird“, wie etwa Steffen Alisch vom Forschungsverbund SED- Staat sagt. Er hatte in seinem Gutachten den Parteien Defizite im DDR-Bild und wenig Interesse am Umgang mit der Diktatur bescheinigt und war dafür von SPD und Linke attackiert worden. Auch ein Gutachten, das zu dem Ergebnis kam, dass im Landtag und im Regierungsapparat eine systematische Stasi- Überprüfung ausblieb, wurde von Rot- Rot attackiert. 2011 hatte der Politologe Stefan Appelius, Spezialist für DDR-Opposition und Dozent an der Universität Potsdam, seinen Rücktritt erklärt und mit rot-roten Angriffen gegen Gutachter und „fehlenden Aufarbeitungswillen“ der Koalition begründet. Zitat: „Jeder Gutachter begibt sich in Gefahr, in politische Scharmützel zu geraten.“

Grünen-Fraktionschef Axel Vogel und die FDP-Abgeordnete Linda Teuteberg bezeichneten Schroeders Schritt als bedauerlich und unverständlich. „Ausgerechnet auf der Zielgeraden auszusteigen ist kontraproduktiv.“ Schroeder entziehe sich mit seinem Rücktritt der Verantwortung, aus den Untersuchungsergebnissen Vorschläge zur Umsetzung zu erarbeiten. Schroeders Rücktritt sei aber auch „ein Fingerzeig in Richtung Rot-Rot“. Mehrheiten dürften nicht dazu missbraucht werden, jenseits von Tatsachen und Argumenten Geschichtspolitik zu machen, erklärten die Abgeordneten. „In der Vergangenheit wurde bekanntlich wiederholt aus politischen Opportunitätsgründen gegen Gutachter und Expertisen polemisiert“, so Vogel und Teuteberg. „Wir hoffen, dass SPD und Linke diese Phase mittlerweile hinter sich gelassen haben und die abschließenden Diskussionen wie zuletzt produktiv mitgestalten.“

Das Linken-Kommissionsmitglied Peer Jürgens sagte, Schroeders Entschluss sei nicht nachvollziehbar „rund eine Woche, bevor der Teil des Abschlussberichts der Enquete diskutiert wird, für den er Berichterstatter ist“. Von der Kommissionsvorsitzenden Melior kam kein Wort des Bedauerns, vielmehr legte sie spöttisch nach: „Er war nur jede zweite Sitzung da. Insofern ist sein Schritt folgerichtig.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })