Brandenburg: Schröters Last
Der Minister und sein Staatssekretär – wie es im Innenministeirum nun weiter geht
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Potsdam - Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) hat nach der Affäre um die bewusst falsch geführte Kriminalstatistik bei der Polizei eigentlich keine Wahl: entweder er drängt auf die Entlassung seines Staatssekretärs Arne Feuring oder er behält den Mann, der als früherer Polizeipräsident für die Statistik verantwortlich ist – und beschädigt sich damit selbst. Im politischen Potsdam jedenfalls werden schon Namen gehandelt für die Nachfolge Feurings. Das Innenministerium äußert sich in keinem Fall dazu. Und doch ist aus dem Ressort und der Landespolizei zu hören, dass Schröter nach einer Lösung sucht.
Wann eine Entscheidung fällt, ist noch nicht klar und auch nicht absehbar. Fest steht aber, dass Schröter sich öffentlich nicht mehr hinter seinen Staatssekretär stellt. Stattdessen sagt er Sätze wie diesen: „Ich habe ein möbliertes Haus übernommen. Es gibt noch viel zu tun.“ Und er antwortet auf die Frage, ob er seinem Amtschef vertraut, ausweichend: „Ich arbeite mit meinem Staatssekratär zusammen.“ Und er sagt zu Journalisten über sein Eingreifen in der Statistik-Affäre: „Wäre es weitergegangen wie bisher, hätten sie mich ans Kreuz genagelt, nein, sie hätten mich angeschraubt.“ Schröter gibt sich ansonsten ganz pragmatisch: Feuring und dessen Getreuen unterstellt er zumindest nicht, dass sie mit Vorsatz die Statistik beschönigen wollten. Schröter sagt, er wolle im kommenden Jahr wieder eine Kriminalstatistik vorstellen, die mit der diesjährigen vergleichbar ist. Die Statistik für 2013 fällt raus, sie ist für den Papierkorb.
Schon vor Feurings Berufung auf den Posten nach der Landtagswahl war in der rot-roten Regierungskoalition intern gewarnt worden, dass Feuring als Staatssekretär noch einige heiße Eisen aus seiner Zeit als Polizeipräsident auf die Füße fallen könnten. Schröter – selbst eine Überraschung als Innenminister – war zu dieser Zeit noch zuversichtlich. In Feuring sehe er aber einen geeigneten Mann, der die Aufgaben bei der Polizeireform vernünftig schultern und den Polizeiapparat strukturieren könne. „Deswegen setze ich auf ihn“, hatte er gesagt.
Als Feuring noch Polizeipräsident war, gab die Direktion West mit seinem Wissen im August 2013 eine Dienstanweisung heraus, nach der generell bei Einbrüchen, bei Sachbeschädigung von Autos oder beim Diebstahl aus Autos mehrere Fälle zu einem Fall zusammengefasst wurden – obwohl BKA und Landeskriminalamt dies wenige Wochen später für unzulässig erklärten. Das Polizeipräsidium und das Innenministerium wiesen den Manipulationsverdacht stets zurück. Doch der Effekt der Anweisung war deutlich: weniger erfasste Fälle und eine bessere Aufklärungsquote.
Noch größeres Chaos herrschte unter Feuring als Polizeipräsident in der Polizeidirektion Süd, wo die Inspektionen Anweisungen einfach ignorierten. Dort sprach sich die Führung dagegen aus, besagte Verfügung der Polizeidirektion West zur Erfassung von Straftaten zu übernehmen. Doch die Inspektionen ignorierten die Anweisung der Polizeiführung in Cottbus und erfassten Straftaten nach der falschen Methode, der umstrittenen Vorgabe aus Brandenburg/Havel. Schon zu Feurings Zeit als Polizeipräsident herrschte in Cottbus Chaos. Die statistische Erfassung der ohnehin schlechten Interventions-, also Einsatzzeiten von Streifenwagen, wurde in der Polizeidirektion Süd überaus locker gehandhabt. Als dies publik wurde, musste Feuring eingreifen.
Schröter, nach der Landtagswahl seit November im Amt, griff durch, stoppte den bundesweit einmaligen Alleingang Brandenburg bei der Kriminalstatistik und ordnete die Überprüfung der 2014 erfassten Straftaten an. Betroffen waren Diebstähle, Unterschlagungen, Sachbeschädigungen und Tankbetrug. Das Ergebnis: Die Kriminalitätsbelastung in Brandenburg war 2014 nach den BKA-Richtlinien zwei Prozent höher als nach den falschen Zählvorgaben. Insgesamt erhöhte sich die Zahl der erfassten Straftaten um knapp 4000. Nach der von Schröter angeordneten korrekten Erfassung nach Standards des Bundeskriminalamtes (BKA) wurden 52,4 Prozent aller Straftaten von der Polizei aufgeklärt, nach der alten wären es 53,1 Prozent gewesen. Nicht mehr zu korrigieren ist die Kriminalstatistik für das Jahr 2013.
Feurings Rolle in der Affäre ist, jedenfalls für Beobachter auch in der Polizei selbst, klar. Erst hat er die Polizeireform mit konzipiert und die neuen Strukturen durchgesetzt. Dazu gehörte nicht nur der Personalabbau von damals 8900 auf 7000 Stellen, der schon von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) in seiner Zeit als Innenminister auf 7800 Stellen abgebremst wurde, sondern auch eine Prognose, die als Begründung für den Personalabbau herhalten sollte: Demnach sollte die Kriminalität in Brandenburg im Zuge des Bevölkerungsrückgangs bis zum Jahr 2020 um zehn Prozent sinken. Heute räumt das Innenministerium ein, dass in den nächsten Jahren nicht mit einer spürbar sinkenden Zahl von Straftaten zu rechnen sei. Die Lage als wichtiges Transitland zwischen Ost und West, Berlin mittendrin und dann der lange Grenzabschnitt zu Polen, das alles spricht eher dafür, dass sich die Kriminalitätsbelastung auf hohen Niveau verstetigt. Den Beweis hat Schröter bei der Vorstellung der neuen Polizeilichen Kriminalitätsstatistik am vergangenen Freitag erst erbracht.
Zurück zu Feuring: Er war der erste Landespolizeipräsident in Brandenburg, der Chef der neu geschaffenen Strukturen. In der Polizei selbst, bei den Gewerkschaften, selbst im Innenministerium glauben zahlreiche Beamte, mit der umstrittenen Dienstanweisung zur Erfassung der Straftaten, die Feuring gern landesweit durchgesetzt hätte, sollte die Statistik passend gemacht werden – passend für die Polizeireform, passend für die Zahlen. Überdies hat die Polizeiführung in der Statistikaffäre das Ministerium als Dienst- und Fachaufsichtsbehörde komplett übergangen, eigentlich ein Affront. Feuring aber fühlte sich offenbar stets sicher bei allem, was er tat.
Und er hat auch heute noch Fürsprecher in der Landesregierung bis hoch in die Staatskanzlei von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), der bis August 2013, als Matthias Platzeck abtrat, selbst Innenminister war. Zudem ist da noch Staatskanzleichef Rudolf Zeeb, bis zur Landtagswahl Innenstaatssekretär, der Feuring stets stützte und ihm auch nun zur Seite steht, vertrauliche Einzelgespräche inklusive. Zeebs Karriere ist eng verbunden mit dem 2010 als Innenminister zurückgetretenen SPD-Politiker Rainer Speer. Der hatte die Polizeireform initiiert und ausgelöst, Feuring setzte sie im Detail um.
Spekuliert wird in Potsdam auch, dass Schröter erst einmal abwartet. Entscheiden könnte dann der Ausgang des Maskenmann-Prozesses um Überfälle auf eine Unternehmerfamilie und die Entführung eines Unternehmers. Schon jetzt spielen vor dem Landgericht Frankfurt (Oder) weniger die Vorwürfe gegen den Angeklagten eine Rolle – sondern die Kritik von ermittelnden Beamten. Sie hatten bemängelt, dass sie nicht in alle Richtungen zu dem Fall recherchieren hätten können. Und sie benannten Versuche Feurings und der Polizeiführung, die Ermittlungen zu beeinflussen und in eine Richtung zu lenken. Zudem beklagten sie, dass ihnen per Dienstanweisung die Aussage über internen Streit in der Mordkommission untersagt wurde. Feuring hatte die Kritik stets zurückgewiesen.
Innenminister Schröter will das alles gern schnell beenden. Er hat ganz andere Probleme, eine Verwaltungs- und Kreisgebietsreform muss gestemmt werden. Dann sollen bald die Ergebnisse der Evaluation der Polizeireform vorgestellt werden, davon hängt ab, wie es weitergeht bei der Polizei. Schröter hat schon angekündigt, dass er wegen des hohen Krankenstandes den Personalabbau bei der Polizei ganz stoppen und 8100 Stellen behalten will. Aber Vergangenheitsbewältigung mit Altlasten im Ministerium? Nicht sein Ding, sagt er. Fragen zu Feuring weicht er aus und sagt dann: „Mein Blick ist nach vorn gerichtet, es gibt viel zu tun.“
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