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Umstrittene Polizeireform in Brandenburg: Schröters Machtprobe

Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter war vorgeprescht – mit der Forderung nach 440 zusätzlichen Polizisten. Aber nun rudert man in der Landesregierung zurück. Ausgerechnet die Staatskanzlei bremst. Wer wird sich durchsetzen?

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Potsdam - Zumindest im Polizeiapparat hat Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) die Reihen hinter sich geschlossen. Als er im Juli bei der Vorstellung des Evaluationsberichts zur Polizeireform 8300 Beamte forderte, wirkte das wie eine Revolution, der Abschied von allen Sparvorgaben seiner Amtsvorgänger. Doch innerhalb der Regierung stieß Schröter mit seinem Vorgehen auch auf Kritik. Ob das von Schröter, dem Polizeiapparat und den Gewerkschaften in seltener Einigkeit formulierte Stellenziel auch umgesetzt wird, darf bezweifelt werden. Die Staatskanzlei von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) bremst jedenfalls.

Innenminister Schröter weckte Erwartungen 

In der Regierungszentrale wird Schröter vor allem vorgehalten, sich nicht an Absprachen gehalten zu haben. Er selbst hatte mit der Pressekonferenz für Aufsehen gesorgt, auf der er den Evaluationsbericht vorstellte und sich voll hinter das Ergebnis stellte – dass nämlich künftig 8300 Beamte statt der bisher von der Koalition geplanten 7855 nötig seien, damit die Polizei in Brandenburg ihre Aufgaben auch erledigen könne. Schröter ging in den vierwöchigen Urlaub und verabschiedete sich mit den Worten, er werde den Bericht in dieser Zeit nochmal Punkt für Punkt durchgehen und prüfen, ob die 8300 Beamten wirklich nötig sind. Doch die Zahl stand erst einmal ganz groß im Raum: Er hat eine Erwartungshaltung bei Beamten, Gewerkschaften und Kritikern erzeugt, hinter der er nach den jahrelangen Debatten um die 2011 gestartete Polizeireform kaum zurückfallen kann.

Was dann aber Woidke Anfang August sagte, als er aus dem Urlaub zurückkam, hörte sich ganz anders an als bei seinem Innenminister: Schröter habe den „Bericht der internen Überprüfung der Polizeiarbeit vorgestellt bekommen“ und werde erst jetzt diesen Bericht kritisch prüfen, sagte Woidke in einem Interview. Bei diesem Vorgehen habe der Innenminister seine volle Unterstützung. Erst danach werde sich die Koalition ein Bild machen.

Ohne Rückhalt der Regierung

In der Staatskanzlei pocht man nach PNN-Recherchen darauf, dass nach der ursprünglichen Absprache der Evaluationsbericht erst innerhalb der Regierung ausgewertet werden sollte und sie sich erst dann auf eine neue Stellenzahl für die Polizei festlegen werde – möglicherweise, wenn überhaupt. Angesicht der auch in anderen Bereichen wie Bildung und Justiz zusätzlich geforderter Stellen sollte, so der Plan der Staatskanzlei, ein ausbalanciertes Gesamtkonzept erarbeitet werden. Mit Schröters Vorstoß ist es erstmal vorbei mit der Balance.

Zudem wird Schröter in der Staatskanzlei vorgehalten, politisch nicht klug vorgegangen zu sein. Er habe sich auf eine Zielzahl festgelegt, ohne dafür den Rückhalt in der Regierung zu haben und ohne sichere Aussicht, das Ziel überhaupt erreichen zu können. Überdies wird dem Innenminister übel genommen, im Frühjahr die ursprüngliche Fassung des Evaluationsberichts kassiert zu haben, um das Ergebnis nach oben zu korrigieren.

300 zusätzliche Polizisten in Brandenburg nötig

Tatsächlich sah die ursprünglichen Fassung genau die von Rot-Rot bisher geplanten 7855 Stellen bei der Polizei vor, gesteuert vom Polizei-Abteilungsleiter im Ministerium mit Rückendeckung des inzwischen zurückgetretenen Innenstaatssekretärs und vormaligen Polizeipräsidenten Arne Feuring. Schröters Ansage, Brandenburgs Polizei brauche wegen der hohen Zahl der dauererkrankten Beamten zusätzlich 300 Stellen, wurde darin zunächst nicht berücksichtigt. Das wurde erst nachträglich auf Schröters Weisung in den Bericht geschrieben.

Durch den Abgang von Feuring, der 2011 die Polizeireform samt Personalabbau auf 7000 Beamte konzipiert hatte, fühlte sich Schröter offenbar von jedem Zugriff und jeder Kontrolle durch die Staatskanzlei befreit. Selbst in den Arbeitsgruppen der Polizei, die die Polizeireform evaluiert haben, sah man vor allem in Feuring und seinem Vorgänger, den heutigen Chef der Staatskanzlei, Rudolf Zeeb, die größten Gegner. Zumal Zeeb als enger Vertrauter von Ex-Innenminister Rainer Speer die Reformziele 2011 maßgeblich mitformuliert hatte.

Kann Schröter den Machtkampf gewinnen?

Ob Schröter nach seinem Vorpreschen den Machtkampf mit der Staatskanzlei überhaupt gewinnen kann, ist jedoch fraglich. Dort wird der Evaluationsbericht nun sehr genau gelesen. Ob er überzeugt, darf bezweifelt werden – denn er wurde auch entschärft. Die in der ursprünglichen Fassung detailliert aufgelisteten und erstmals in den PNN publik gemachten Mängel auf allen Ebenen und in allen Bereichen der Polizei sind in der Endfassung nur noch grob skizziert. Die vormals anschauliche Darstellung der Probleme ist nur noch in Bruchstücken enthalten.

In der Staatskanzlei herrscht wie auch bei Fachleuten ohnehin Skepsis, wie aussagekräftig der Evalutionsbericht überhaupt ist. Der Grund: Polizisten haben die Polizeireform selbst überprüft. Von einer unabhängigen und ergebnisoffenen Evaluation, die diese Bezeichnung verdient, könne also keine Rede sein, heißt es. Wenn Beamte und Gewerkschaftsvertreter den eigenen Apparat überprüfen, sei das Ergebnis doch erwartbar: Es werde wie immer mehr Personal verlangt.

Zurückhaltung in der SPD

Bislang hat Schröter in der rot-roten Koalition nur die Linke auf seiner Seite. Die hatte schon 2011 Bauchschmerzen mit dem Personalabbau, aber aus Koalitionsräson die Polizeireform mitgetragen. Nun lobt sich die Linke, damals in weiser Voraussicht die Evaluation ins Reformpaket hineingeschrieben zu haben.

In der SPD dagegen herrscht Zurückhaltung. Und in der Staatskanzlei verweist man auf die Finanzen. Zwar pocht das Innenministerium jetzt darauf, dass zentrale Grundannahmen und Vorgaben der Polizeireform von 2011 falsch waren. Und dass die ursprünglichen Annahmen über die Entwicklung der Landesfinanzen heute weniger drastisch ausfallen und ab 2019 trotz Wegfall der Solidarpaktmittel mehr Geld im Landeshaushalt sein dürfte. Doch so zuversichtlich ist die Staatskanzlei keineswegs. Auch weil alle anderen Bereiche mehr Personal fordern, die selbst schon eingedampften Einsparziele beim Personal kaum zu halten sind. Nötig sei daher ein effektiver Personaleinsatz, der Landeshaushalt dürfe nicht überstrapaziert werden, heißt es aus der Staatskanzlei. Auch weil nicht absehbar sei, wie lange die derzeit gute Konjunkturlage halte. Es müsse immer mit bösen Überraschungen gerechnet werden.

Woidke korrigierte die Zahl nach oben

Was regierungsintern noch viel schwerer wiegt: Am Ende wird sich Woidke kaum von seinem Innenminister durch dessen Maximalforderung für die Polizei beschädigen lassen. Denn der Regierungschef selbst war es, der bei der Polizeirefom schon nachgebessert hatte: Er korrigierte das Speer’sche Sparziel von 7000 Stellen für die Polizei schon vor der Landtagswahl 2014, erst als Innenminister, dann als Regierungschef, in mehreren Schritten auf 7800 nach oben.

Und es war Woidke, der als Nachfolger von Matthias Platzeck an der Spitze der Landes-SPD seine Partei bei der Inneren Sicherheit programmatisch neu aufstellte – indem er eine zentralen Begriff der Sozialdemokratie, die soziale Sicherheit, inhaltlich erweiterte. Demnach ist für Woidke die innere Sicherheit elementarer Bestandteil der sozialen Sicherheit und Kernanliegen der von ihm geführten Regierung. Auch wenn die Gewerkschaft der Polizei (GdP) erklärt, an dieser Festlegung werde sich Woidke messen lassen müssen – der Regierungs- und SPD-Landeschef wird sich kaum die Definitionsmacht von der Gewerkschaft streitig machen lassen.

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