Brandenburg: Schwarzärgern nach Schwarzfahren
Unterwegs ohne Ticket? Das kostet bald 60 Euro
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Berlin - Schwarzfahrer, die ertappt werden, sollen bald noch mehr bezahlen: Jetzt unterstützt auch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) den Vorstoß, von den Sündern künftig 60 Euro statt wie bisher 40 Euro zu kassieren. Auch mehrere Bundestagsabgeordnete haben sich dafür ausgesprochen, das „erhöhte Beförderungsentgelt“ zu erhöhen. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) fordert dies schon seit Jahren. Auch die Verkehrsminister der Länder wünschen sich seit Langem einen höheren „Schwarzfahrer-Tarif“. Festgelegt wird er vom Bundesrat. Der derzeitige Satz gilt seit Oktober 2002. Die Fahrpreise dagegen sind seither regelmäßig erhöht worden.
Wie Dobrindt jetzt auf der VDV-Jahrestagung in Berlin sagte, wolle die Mehrheit der Kunden einen fairen Fahrpreis bezahlen und wünsche sich, dass sich alle daran hielten. Für viele aber ist die Rechnung einfach: Die Wahrscheinlichkeit, mehrmals in einem Monat in eine Kontrolle zu geraten, ist gering. Da eine Monatskarte für das Tarifgebiet ABC inzwischen 97 Euro kostet, muss man dreimal erwischt werden, um mehr zu zahlen als den regulären Preis.
„40 Euro tun nicht mehr weh“, sagt auch BVG-Sprecherin Petra Reetz. Das Unternehmen wünsche sich deshalb ebenfalls, dass die Strafzahlung erhöht wird. Die Kontrollen hat die BVG bereits verstärkt. Mit vier bis fünf Prozent liegt die Schwarzfahrerquote in Berlin über dem Bundesdurchschnitt, den der VDV auf 3,5 Prozent taxiert.
Im vergangenen Jahr hatte die BVG fast eine Milliarde Menschen befördert. Reetz beziffert daher den jährlichen Schaden für das Unternehmen auf 20 Millionen Euro. Eine steigende Tendenz gebe es zwar nicht, aber 20 Millionen seien eine Menge Geld. „Dafür könnten wir 50 neue Busse kaufen“, sagt Reetz. Deshalb begrüßt die BVG den Vorstoß des Bundesverkehrsministers.
Betroffen von einem höheren Strafentgelt wären aber auch die sogenannten Graufahrer, die sich im Tarifwirrwarr geirrt haben und mit einem ungültigen Fahrschein unterwegs sind. Hier können Betroffene nur auf Kulanz hoffen.
Keine Chance gibt Reetz dem Stockholmer Vorgehen. Dort haben sich Kunden zusammengeschlossen und zahlen umgerechnet rund 11 Euro auf ein Konto, aus dem dann ertappte Schwarzfahrer die Strafzahlung erstattet bekommen. Diese beträgt immerhin 133 Euro. In Deutschland sei eine solche „Versicherung“ nicht möglich, weil Schwarzfahren eine Straftat sei, sagt Reetz.
Gut 500 000 Menschen sind im Vorjahr bei der BVG und der S-Bahn kontrolliert worden und hatten kein Ticket. Manche zeigen mittlerweile einigen Erfindungsgeist, damit sie nicht erwischt werden. Es gibt Apps und Facebookgruppen, auf denen die Nutzer die Linie und Fahrtrichtung der Bahn, in der sie Kontrolleure ausgemacht haben, eingeben. Dann werden alle anderen Nutzer gewarnt und machen sich aus dem Staub – so zumindest die Theorie. In der Praxis hat weder „Schaffnerradar“ noch „Berlinkontrolle“ bisher genug Nutzer, um verlässlich vor den 120 bis 140 Kontrolleuren der BVG und den ungefähr 70 der S-Bahn zu warnen.
Aber Judith Demba vom Verein Naturfreunde Berlin hat noch eine andere Idee fürs Fahren ohne Ticket. Durch Anhebung des erhöhten Beförderungsentgeltes würden Menschen mit wenig Geld weiter kriminalisiert, meint sie. Sie kritisiert, dass in der JVA Plötzensee schon jetzt rund 150 Menschen inhaftiert seien, weil sie das erhöhte Beförderungsentgelt nicht gezahlt haben.
Aber die 56-Jährige glaubt, ein Gegenmittel gefunden zu haben. Mit den Berliner Naturfreunden hat sie die Kampagne „Ticket teilen“ gegründet. Besitzer der Umweltkarte des VBB können mit ihrem Ticket zu bestimmten Tageszeiten andere Personen mitnehmen. Per Button auf der Kleidung können die Inhaber solcher Tickets dieses Mitfahrgelegenheit gut sichtbar für Bedürftige wie Flüchtlinge oder Hartz-4-Empfänger erkennbar machen und anbieten. 15 000 Buttons hat der Verein schon verteilt.
Mit diesem Modell hat auch Petra Reetz von der BVG kein Problem: „Ein Vertrag hat immer zwei Seiten. Die Kunden können natürlich die Vorteile ihrer Tickets nutzen, wie sie wollen.“
Klaus Kurpjuweit, Philip Barnstorf
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