Brandenburg: Schwarzer Tag für Jörg Schönbohm
Matthias Platzeck wird gefeiert – er hat den Bundestrend der SPD gebrochen / Freibier bei der PDS
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Matthias Platzeck wird gefeiert – er hat den Bundestrend der SPD gebrochen / Freibier bei der PDS Von Michael Mara und Thorsten Metzner Potsdam - Es ist der große Tag des Matthias Platzeck. Jubel brandet auf, als Brandenburgs Regierungschef kurz nach 18 Uhr 30 lächelnd die Bühne betritt. Aus den Lautsprechern ertönt der Pop-Song: „We are the champions“. Im Arm hält Platzeck seine Lebensgefährtin Jeanette Jesorka. Im Saal des Alten Rathaus drängeln und schieben sich die Genossen. Einige heben Plakate hoch: „Einer von uns – Matthias Platzeck“. Fast grenzenlos die Freude, dass der einstige Oderheld schaffte, was viele Genossen nicht mehr für möglich gehalten hatten: Trotz des Frustes über Hartz IV und die rot-grüne Bundesregierung, trotz der Renaissance der PDS ist die SPD stärkste Partei. Die bundesweite Serie der Niederlagen ist gebrochen, auch wenn die SPD gegenüber der letzten Wahl verlor. „Wir haben in einer schwierigen Zeit Gesicht gezeigt, wir waren draußen“, kommentiert Platzeck den Sieg. Die Menschen hätten ein Recht darauf, dass Politik sich in solchen Zeiten „nicht hinter Aktendeckeln versteckt, sondern bei den Menschen ist“. Das müsse der Politikstil der nächsten Jahre sein. Wie kein anderer hatte der 50-jährige im Wahlkampf den Zorn, die tiefe Enttäuschung der Menschen im Land zu spüren bekommen. Auf 32 Wahlkundgebungen im ganzen Land, zu denen fast 30000 Menschen kamen, hatte er einen Spagat versucht: Er warb um Verständnis für die überfällige Erneuerung Deutschlands – und präsentierte sich gleichzeitig als Vorkämpfer für ostdeutsche Interessen. Er wurde mit Eiern und Tomaten beworfen, ausgepfiffen, niedergebrüllt. Und jetzt der Sieg. „Einsatz und konsequente Ehrlichkeit haben eine Chance“, sagt Platzeck. Es ist der schwarze Tag des Jörg Schönbohm. Grabesstille herrscht im großen Saal des Inselhotels Hermannswerder vor den Toren der Stadt, als die erste Prognose über die große Leinwand flimmert. Die CDU unter 20 Prozent. „OGott“, stöhnen manche auf. „Fünf Jahre Arbeit umsonst“. Oder auch: „Das hat Jörg Schönbohm nicht verdient“. Der Innenminister und Parteichef, der die CDU zur stärksten politischen Kraft im Land machen und Ministerpräsident werden wollte, wirkt angespannt, als er ans Rednerpult tritt. Er setzt zum Sprechen an, wird aber noch vom Fernsehton übertönt. „Leiser“, ruft Schönbohm. Als nichts passiert nimmt er zwei Finger in den Mund, pfeift gellend. Die Niederlage der Union führt er auf Hartz IV zurück. Nicht auf seinen defensiven Wahlkampf, nicht auf seine geringe Popularität. „Wir haben gemeinsam mit der SPD verloren. Aber die SPD ist stärkste Kraft. Glückwunsch an Matthias Platzeck.“ Aber es fällt auf, dass Schönbohm schon jetzt an die Geschlossenheit der Union appelliert: „Wir dürfen uns nicht auseinander dividieren lassen", sagt er, und: „Die Kraft einer Partei zeigt sich, wenn sie mit Verlusten umgehen muss.“ Eine Vorahnung der Machtkämpfe, die jetzt bei den märkischen Christdemokraten ausbrechen könnten? Manche im Saal sehen das so: „Es wird Diskussionen geben“, ahnt etwa der Landtagsabgeordnete Dieter Helm. „Die Nachfolge wird beschleunigt“, prophezeit eine Christdemokratin. Solche Sorgen plagen die PDS nicht: In ihrem „Wahlquartier“, dass die Sozialisten mitten im Potsdamer Hauptbahnhof aufgeschlagen haben, wird Freibier ausgeschenkt. Wahlleiter und Strippenzieher Heinz Vietze, gerade 50 geworden, spendiert es. In dem völlig überfüllten Raum ist es drückend heiß, der Schweiß rinnt schneller, als das Bier gezapft werden kann. „Wir haben es geschafft“, spricht Dagmar Enkelmann in die Mikrofone, kaum dass sie die Bühne betreten hat. Die Wähler wollten den Politikwechsel, deshalb hätten sie PDS gewählt. Und dann: „Die große Koalition ist abgewählt.“ Die SPD müsse sich entscheiden: „Will sie eine Koalition der Verlierer oder eine neue Politik mit der PDS für Brandenburg.“ Ja, während die Spitzenpolitiker von Fernsehstation zur Fernsehstation eilen, hat der Poker um die künftige Regierung begonnen. Die PDS hat Rot-Rot nicht aufgegeben, noch am Wahlabend setzt sie die SPD unter Druck. Auch Schönbohm meldet sich zu Wort, spricht sich für eine große Koalition aus. „Die Gemeinsamkeiten zwischen SPD und CDU sind größer als zwischen SPD und PDS“, sagt er. Er weiß aber auch, dass die Ausgangsposition der Union nach dieser Niederlage schlechter geworden ist. So hält sich Matthias Platzeck, ganz Taktiker, auf die Fragen vieler Reporter nach der künftigen Koalition bedeckt, lässt alles offen. Sondierungsgespräche werde es mit beiden Parteien geben. „Das gehört sich so.“ Platzeck will die Gespräche und Verhandlungen zügig führen, bereits Mitte Oktober soll die neue Regierung stehen. Doch er gibt zu: „Es werden schwierige Verhandlungen.“ Egal, mit wem.
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