zum Hauptinhalt

Abschlussbericht: Schwere Missstände in der Haasenburg

Die unabhängige Untersuchungskommission rügt Zwangsmaßnahmen gegen Jugendliche und Mängel bei der Behördenaufsicht - dem Landesjugendamt

Stand:

Potsdam - Im Brandenburger Haasenburg-Skandal hat die unabhängige Untersuchungskommission schwere Missstände in den Heimen des privaten Unternehmens festgestellt – aber auch Versäumnisse des Landesjugendamtes. Nach PNN-Informationen empfiehlt der interne Abschlussbericht des von Bildungsministerin Martina Münch (SPD) eingesetzten Gremiums einen Wechsel der Trägerschaft der Heime. Empfohlen werden auch das Ausscheiden aller Führungskräfte, die dauerhafte Stilllegung der vom Betreiber vorübergehend geschlossenen Einrichtung in Jessern (Dahme- Spreewald), ein Verbot von Antiaggressions- und körperlichen Zwangsmaßnahmen sowie einen „Alarmknopf“ für jedes Kind mit Verbindung zu einer Polizeidienststelle oder Rettungswache. Nötig sei auch der Aufbau einer unabhängigen Kontrollagentur. Die Kommission rügt zudem fehlende Fachkräfte und hat Zweifel, dass überhaupt genügend Personal eingesetzt war.

Münch will heute auf einer Pressekonferenz mitteilen, welche Konsequenzen sie aus dem Bericht ziehen wird, der am Dienstag erstmals im Kabinett beraten wurde – und der ihr Ministerium als zuständige Fachaufsicht selbst in Erklärungsnöte bringt. Linke-Fraktionschef Christian Görke erneuerte die Forderung nach Schließung der Haasenburg-Heime.

Bei dem bundesweit beachteten Skandal geht es um den von dem Unternehmen Firma selbst stets bestrittenen Vorwurf der körperlichen und seelischen Misshandlung von Kindern und Jugendlichen, weshalb seit einigen Monaten die Staatsanwaltschaft Cottbus ermittelt. Aktuell laufen rund 70 Ermittlungsverfahren. In den Haasenburg-Heimen wurden straffällig oder verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche aus mehreren Bundesländern eingewiesen, deren Betreuung in anderen Stationen als gescheitert gilt.

Laut Bericht der externen Expertenkommission wurden manche Jugendliche so oft „begrenzt“, ein Fachbegriff für Zwangsmaßnahmen, dass es fast eine Gewohnheit gewesen sei, heißt es. Und die Kommission hat den begründeten Verdacht, dass die Missstände dem Landesjugendamt lange bekannt waren – nach Aussagen der Haasenburg seit 2002. Das Unternehmen wird mit dem Worten zitiert: „Wir hatten die Rückendeckung der Behörden.“

Damit gerät das Münch-Ministerium – dem das Landesjugendamt untersteht – selbst unter Druck. Es sei nicht glaubhaft, dass das Landesjugendamt von Fixierungen in den Einrichtungen nichts gewusst habe, so die Kommission. „Anhörung und Akteneinsicht legen den Schluss auf Mängel nicht unerheblicher Art in der Ausführung der Aufsicht über die Haasenburg GmbH nahe", heißt es. Wegen der Ungereimtheiten fordert die Kommission „nähere Untersuchungen“ der Rolle des Landesjugendamtes. Die Aufsicht sei nicht konsequent erfolgt, obwohl gerade geschlossene Einrichtungen eine besondere Überwachung erforderten.

Die Kommission stellt das bisherige Haasenburg-Konzept auch grundsätzlich in Frage. Der Pädagogik dort fehle das Verständnis für die Entwicklung der Jugendlichen, die Konzeption sehe sie als „Objekte, über die verfügt werden darf“. Schon die Haus- und Schulordnung seien sehr restriktiv und die Menschenwürde verletzt worden, etwa mit längeren Isolierungen und der Verletzung des Post- und Telefongeheimnisses. Die in der Praxis ausgeführten Maßnahmen seien „zumindest fragwürdig und deuten auf ein Menschenbild hin“, dass zumindest bei einigen Mitarbeitern der Haasenburg „die Ausübung von Willkür ermöglicht habe“, heißt es. Die psychiatrische Versorgung sei nicht ausreichend.

Münch hatte bereits einen Belegungsstopp für die Einrichtungen verhängt, diesen aber teilweise wieder zurückgenommen. Ein von drei Heimen ist geschlossen, für eines gilt weiterhin ein Belegungsstopp und für das dritte gibt es strenge Vorgaben für die Neuaufnahme von Jugendlichen. Die Haasenburg GmbH hat seit dem Einschreiten der Behörden 120 Mitarbeiter entlassen.(mit axf)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })