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Tatort. In Ludwigsfelde wurde ein Afghane erstochen.

© dpa

Luckenwalde: Beamte verletzten jugendliche Flüchtlinge: SEK-Einsatz hat Nachspiel im Landtag Brandenburg

War der SEK-Einsatz in einer Flüchtlingsunterkunft in Luckenwalde, bei dem mehrere unbeteiligte Jugendliche verletzt wurden, deutlich überzogen? Das soll nun im Landtag Brandenburg geklärt werden. Gegen mehrere SEK-Beamte wird wegen des Verdachts auf Körperverletzung ermittelt.

Stand:

Potsdam - Der aus dem Ruder gelaufene Polizeieinsatz des brandenburgischen Spezialeinsatzkommandos (SEK) mit mehreren unbeteiligten Verletzten in einer Flüchtlingsunterkunft in Ludwigsfelde (Teltow-Fläming) hat ein Nachspiel im Landtag. Grüne und CDU haben nach einem PNN-Beitrag dazu einen Bericht von Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) im Innenausschuss angefordert.

CDU-Innenexperte Björn Lakenmacher sagte am Mittwoch, der Einsatz zur Festnahme eines Tatverdächtigen bei einem Tötungsdelikt „scheint nicht verhältnismäßig“ gelaufen zu sein. „Es drängt sich der Verdacht auf, dass der Einsatz überzogen war“, erklärt er. Auch die Grünen-Innenexpertin Ursula Nonnemacher erklärt, zwar sei der Einsatz wegen Ermittlungen zu einer schweren Straftat erfolgt. „Dennoch steht der Verdacht im Raum, dass das Agieren des SEK in einem Heim für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge völlig unverhältnismäßig war und durch unnötige körperliche Gewalt mehrere unbeteiligte Jugendliche zu Schaden kamen“, sagte Nonnemacher.

Ermittlungen gegen SEK-Beamte wegen des Verdachts auf Körperverletzung

Wie berichtet ermittelt die Polizei intern gegen beteiligte SEK-Beamte wegen des Verdachts auf Körperverletzung im Amt. Die Verfahren sind nach einem Gespräch mit der Heimleitung von der Polizei selbst eingeleitet worden. Zugleich erstattete der Träger der Flüchtlingsunterkunft Anzeige.

Auslöser des Einsatzes in den späten Nachtstunden des 2. Oktober war eine Auseinandersetzung zwischen mehreren jungen Flüchtlingen. Ein 17-Jähriger aus Gambia, der in der Unterkunft lebt, war mit drei Afghanen unterwegs. Bei einem Streit stach der Gambier auf einen 18-jährigen ehemaligen Mitbewohner ein. Als er wieder im Heim war, warfen die SEK-Beamten erst eine Blendgranate in das Zimmer des 17-Jährigen und stürmten dann hinein, um ihn festzunehmen. Dabei wurden zugleich fünf andere Heimbewohner, allesamt Syrer zwischen 14 und 17 Jahren mit Traumata aus dem Krieg und von der Flucht, nach Angaben des Heims verletzt. Alle fünf mussten ärztlich in einem Krankenhaus behandelt werden. Zugleich wurden alle Handys der Opfer zerstört. Einem auf dem Boden liegenden Syrer wurde etwa auf die Hand getreten, in der er sein Handy hielt. Die Polizei spricht von nur zwei Verletzten neben dem Festgenommenen.

Polizeipräsidium verteidigte den Einsatz als angemessen 

Einem Syrer wurde zwei Mal mit einem Gewehrkolben gegen den Kopf geschlagen, die anderen wurden auf den Rücken und in die Knie getreten. Nachdem der Gambier abgeführt war, mussten sich die Syrer mit erhobenen Händen im Flur aufstellen und von den SEK-Beamten fotografieren lassen. Das Polizeipräsidium verteidigte den Einsatz als angemessen. Angesichts der Einsatzlage – der Festnahme eines mutmaßlichen Gewalttäters in dem Heim – sei der Einsatz des SEK notwendig gewesen. Angeblich hätten die Beamten beim Betreten des Zimmers den Täter nicht unmittelbar feststellen können. Der Gambier hat allerdings – im Gegensatz zu den Syrern – tiefschwarze Haut.

Lakenmacher und der CDU-Rechtsexperte Danny Eichelbaum haben am Mittwoch auch eine kleine parlamentarische Anfrage an Innenminister Schröter gestellt. Darin wollen die Abgeordneten etwa wissen, ob es zutrifft, dass der Heimbetreuer dem SEK sogar anbot, den Tatverdächtigen aus dem Zimmer zu rufen, damit dieser widerstandslos hätte festgenommen werden können. Nach PNN-Informationen jedenfalls bestand das SEK ausdrücklich auf einen sogenannten Zugriff im Zimmer des 17-Jährigen. Zudem hatte der Betreuer ausdrücklich auf die besondere Situation hingewiesen, dass in dem Heim nur Minderjährige untergebracht sind. Aus der Anfrage geht auch hervor, dass sich der Leiter des Jugendamtes Teltow-Fläming bereits einen Tag nach dem Einsatz beim Polizeipräsidium über die Härte des Einsatzes beschwert und ihn als unverhältnismäßig eingeschätzt haben soll. Die CDU-Abgeordneten interessiert auch, dass ein Mitarbeiter des SEK vor dem Einsatz Akten mit personenbezogenen Daten abfotografierte und die Bilder per WhatsApp – einem Chatprogramm, von dem Datenschützer abraten – an seine Kollegen versandt haben soll.  

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