
© Klaus-Dietmar Gabbert/dapd
„Zukunftsdebatte“: „Sie regieren hier!“
Linksfraktionschefin Kerstin Kaiser wollte über die Zukunft reden. Doch die von der Linken beantragte „Aktuelle Stunde“ geriet am Donnerstag im Landtag zur Abrechnung zwischen rot-roter Koalition und Opposition. Vor allem Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und die CDU-Fraktionsvorsitzende Saskia Ludwig griffen sich gegenseitig an.
Stand:
Potsdam - Brandenburgs FDP-Fraktionschef Andreas Büttner hatte am Donnerstagmorgen in Richtung der Linken gut lästern: .„Guten Morgen, Sie regieren in diesem Land! Aber nach zwei Jahren in der Regierung befinden sie sich auf dem Selbstfindungstrip“. Und die Grünen-Abgeordnete Marie-Luise von Halem machte ein „Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom“ bei den Genossen aus und fragte, ob das mit den Defiziten im Regierungshandeln zu tun haben könne. Abgesehen von Wahlversprechen habe die Linke auch noch das Problem der eigenen demografischen Entwicklung. Mehr als 70 Prozent der Linke-Mitglieder seien Rentner.
Nur selten haben sich Brandenburgs Linke so viel Spott anhören müssen wie in der gestrigen Landtagssitzung. Denn es waren die Linken, nicht die Opposition, auf deren Antrag am Donnerstag die Aktuelle Stunde zu dem für eine Koalitionsfraktion ungewöhnlichen Thema einberufen worden war: „Zukunftsdebatten in Brandenburg“.
Nach den jüngsten Auseinandersetzungen um eine mögliche Kreisreform ab 2014, um das umstrittene SPD-Leitbild „Brandenburg 2030“ für eine Gebietsreform und um ein ähnliches Projekt bei den Linken, hätte das Thema Zündstoff bergen können. Aber eine konkrete Auseinandersetzung, darüber wo es mit Brandenburg im nächsten Jahrzehnt hingehen soll, worauf sich die Bevölkerung einstellen müsste, blieb dennoch aus. Niemand – auch kein Linker – etwa sprach eine Kreisgebietsreform auch nur an, eine mögliche Vereinigung von Brandenburg und Berlin, erwähnte nur die Grüne von Halem am Rande.
FDP-Fraktionschef Büttner war es zumindest, wie es selbst in den rot-roten Reihen hieß, der den besten und bissigsten Auftritt aller Oppositionsredner hinlegte. Er wies Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) einen klaren Widerspruch zwischen eigenen Worten und Tun nach. Vorher hatte Platzeck von der Opposition eine Mitwirkung an den Klärungen zur Zukunft Brandenburgs gefordert. Als die FDP dazu in der Energiepolitik bereit gewesen sei, nach der Katastrophe in Japan einen Runden Tisch zur künftigen Energieversorgung im Land angeboten habe, konterte Büttner, „haben Sie die offene Hand ausgeschlagen“.
Platzeck wiederum nutzte das Podium, um vor allem mit CDU-Oppositionsführerin Saskia Ludwig abzurechnen, der er rückwärtsgewandte Politik vorwarf. Eine Opposition habe aber die Pflicht, eine Regierung zu treiben. „Dieser Verantwortung entziehen sie sich.“ Stattdessen entwerte Ludwig „zehn Jahre ordentliche Regierungsarbeit der CDU in Brandenburg“, sagte Platzeck: „Das haben die Kollegen, die damals Verantwortung trugen, nicht verdient.“ Ludwigs Vorgehen sei eine späte Bestätigung für seine Entscheidung, jetzt mit der Linken zu regieren.
Angesichts der europäischen Krise müsse sich auch Brandenburg auf schwerere Zeiten einstellen, sagte Platzeck. Zur Haushaltskonsolidierung bis 2014 gebe es keine Alternative.
Die CDU-Fraktions- und Landeschefin wiederum hatte sich diesmal mit Polemik zurückgehalten, zunächst unter anderem die Kürzungen bei den privaten Schulen kritisiert, dann aber als einzige die aktuelle Potsdamer Immobilien-Affäre angesprochen. Mit Blick auf mehrere angeblich dubiose Immobiliengeschäfte in Verantwortung Platzecks als früherer Potsdamer Oberbürgermeister und späterer Ministerpräsident fügte Ludwig hinzu, sie warte seit langem sehnsüchtig darauf, dass sich der Regierungschef einmal äußere. Seit November 2009 habe er keine Regierungserklärung mehr abgegeben. Sie sei gespannt, ob er jetzt zu den aktuellen Geschehnissen Stellung nehme oder immer noch meine, dem Land sei durch die Immobiliengeschäfte kein Schaden entstanden.
Den Linken warf Ludwig in einem eher ironisch gelassenen Auftritt vor, „Opposition in der Regierung“ zu versuchen. Ein Vorwurf, den Ludwig selbst in Zeiten der Großen Koalition früher zu hören bekommen hatte.
Für die Linken fuhr seiner Namensvetterin daraufhin direkt deren Vize-Fraktionschef Stefan Ludwig in die Parade, der als Parteichef kandidieren will. Und Fraktionschefin Kerstin Kaiser, die bei den Linken als Alternative diskutiert wird, versprach in ihrer Rede vor allem einen anderen Regierungsstil, etwa einen offeneren Umgang mit Bürgerinitiativen. Und Kaiser brachte zumindest einen neuen Begriff in die politische Debatte Brandenburgs ein. Die Politik müsse in jeder Frage „enkeltauglich“ werden. (mit dapd)
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