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Brandenburg: Späte Hilfe

Eine Beratungsstelle hilft ehemaligen DDR-Heimkindern – und kann die Anfragen kaum bewältigen

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Potsdam - Brandenburgs neue Anlauf- und Beratungsstelle für ehemalige DDR-Heimkinder kann den Ansturm kaum bewältigen. Seit der Gründung im Juli habe es bereits über 1000 Anfragen gegeben, sagte die Diktaturbeauftragte Ulrike Poppe am Donnerstag vor Journalisten in Potsdam. Konkret betreut werden danach derzeit 815 Betroffene, die mit Hilfezahlungen aus dem im Frühjahr aufgelegten „Fonds Heimerziehung in der DDR in den Jahren 1949 bis 1990“ rechnen können. Der Bund und die ostdeutschen Länder haben dafür 40 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Allein im heutigen Land Brandenburg, also den früheren Bezirken Potsdam, Cottbus und Frankfurt (Oder) lebten zu DDR-Zeiten 75 000 Kinder und Jugendliche in Heimen. Davon waren rund 20 000 Kinder und Jugendliche in Spezialheimen, Jugendwerkhöfen, Sonderheimen, die das eigentliche Problem sind. Die Bedingungen dort waren, nach Schilderungen Betroffener und nach Forschungen, schlimm. Es gab Misshandlungen, Zwang und Gewalt.

„Viele wurden nicht aus sozialpädagogischen Gründen eingewiesen, sondern nach politischer Verfolgung der Eltern“, wie Martin Gollmer, Jahrgang 1971, einer der beiden Berater sagt. Und seine Kollegin Birgit Schmelz, Jahrgang 1975, berichtet: „Es melden sich vor allem frühere Heimkinder aus Spezialheimen.“ Sie „mussten sehr hart körperlich arbeiten“, viele leiden an physischen und psychischen Spätfolgen, manche „wissen nicht, wer ihre leiblichen Eltern sind“, sagte Schmelz.

Die Beratungsstelle hilft bei Recherchen zur eigenen Biografie, bei der Beantragung von Hilfen aus dem Heimkinderfonds, wofür eine neue „Handreichung“ Betroffene unterstützen soll. Die Regularien sind flexibler und einfacher als bei denen für die Opferrenten für politisch Verfolgte der SED-Diktatur. „Es ist aber kein Entschädigungsfonds“, betonte Poppe. Es gebe auch keinen Rechtsanspruch. Doch können frühere Heimkinder etwa eine einmalige Rentenersatzleistung für die Heimzeit – 300 Euro je Monat – erhalten sowie weitere individuelle materielle Hilfen, ob die Übernahme von nicht von den Kassen bezahlten Fahrtkosten bei Therapien oder bei körperlichen Spätfolgen eine „rückengerechte Matratze“, nötige behindertengerechte Umbauten in der Wohnung, bei Jüngeren die Übernahme von Fortbildungskosten, um die Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen. Denn in den Jugendwerkhöfen und Spezialheimen konnte man oft nur die Ausbildung zum „Teilfacharbeiter“ machen, ein Abschluss, der in der Bundesrepublik nicht anerkannt ist. „Die Probleme sind sehr, sehr individuell“, berichten Schmelz und Gollmer. Die Betroffenen kämen aus allen sozialen Schichten. Die Beratungsstelle helfe dabei, den individuellen Antrag für Zahlungen aus dem Fonds zu erstellen – der werde dann von einer in Köln ansässigen Bundesbehörde auf Schlüssigkeit geprüft und das Geld bewilligt. Bisher habe man 60 umfassende persönliche Beratungsgespräche geführt und 25 Vereinbarungen über Fonds-Hilfen abgeschlossen. Die in Potsdam ansässige Beratungsstelle für frühere Heimkinder ist derzeit allerdings noch hoffnungslos überlastet. Die beiden Berater Schmelz und Gollmer können zurzeit Termine erst für „Ende 2013/Anfang 2014“ geben. „Das ist unzumutbar“, sagte Poppe. Man habe deshalb entschieden, dass kurzfristig ein weiterer Berater eingestellt wird. „Wir hoffen, so die Terminvergabe drastisch zu verkürzen.“ Denn die Zeit läuft. Der Hilfefonds für frühere DDR-Heimkinder ist bis 31.12.2016 befristet.

Die Beratungsstelle befindet sich in der Hegelallee 3 in Potsdam, ist telefonisch mittwochs und donnerstags von 14 bis 18 Uhr unter 0331/23729217 oder per Mail anlaufstelle@lakd.brandenburg.de erreichbar.

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