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Brandenburg: SPD lehnt frühere Freigänge für Sexualverbrecher ab Linke-Justizminister im Land weitgehend isoliert. FDP warnt vor „vorschneller Aufregung“

Potsdam - Brandenburgs Opposition ist noch gespalten, doch beim Linke-Koalitionspartner SPD bemüht man sich bereits um Schadensbegrenzung. Denn: Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke) steht mit seiner Absicht, Schwerkriminellen künftig deutlich früher Freigang zu gewähren als bisher, offenbar weitgehend alleine da.

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Potsdam - Brandenburgs Opposition ist noch gespalten, doch beim Linke-Koalitionspartner SPD bemüht man sich bereits um Schadensbegrenzung. Denn: Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke) steht mit seiner Absicht, Schwerkriminellen künftig deutlich früher Freigang zu gewähren als bisher, offenbar weitgehend alleine da. Am Dienstag hagelte es auch auf Bundesebene Kritik. Wie berichtet will Schöneburg an einem Passus festhalten, den eine Arbeitsgemeinschaft aus zehn Bundesländern vergangenen August in einen Musterentwurf für ein Strafvollzugsgesetz der Länder geschrieben hatte. Demnach sollen auch zu lebenslanger Haft verurteilte Straftäter bereits nach fünf statt wie bisher nach zehn Jahren Langzeitausgang erhalten können. Anders als Schöneburg will Berlins Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) die Passage nicht übernehmen. Er beurteile die Pläne „äußerst skeptisch“, sagte er am Dienstag. Der Vorstoß aus Brandenburg sei „zu weitgehend“.

Die künftige Zuständigkeit der Länder für den Strafvollzug ist ein Ergebnis der Föderalismusreform. Eigene Landesgesetze sollen das bislang geltende Strafvollzugsgesetz des Bundes ablösen. Das frühzeitige Gewähren von längeren Freigängen, wie es der gemeinsame Musterentwurf vorsieht, scheint mittlerweile aber auf wenig Gegenliebe zu stoßen. Neben Berlin hat sich am Dienstag auch Mecklenburg-Vorpommern dagegen ausgesprochen. „Wir bleiben bei den zehn Jahren. Damit haben wir bisher gute Erfahrungen gemacht“, sagte Otmar Fandel, Sprecher im Justizministerium, auf PNN-Nachfrage. Aus Sachsen hieß es lediglich, ein Gesetzesentwurf befinde sich in der Ressortabstimmung, zu diesem speziellen Thema wollen man sich aber nicht äußern. Sowohl Thüringen als auch Sachsen-Anhalt teilten mit, eine eigene Position sei noch nicht gefunden.

Kritik an Schöneburg kam am Dienstag auch von den beiden Polizeigewerkschaften. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Bernhard Witthaut, sprach von einem „Experiment auf Kosten der Sicherheit“. „Wer Vergewaltiger und Mörder nach fünf Jahren schon wieder auf die Menschheit loslassen will, der hat echt nicht alle Tassen im Schrank“, sagte auch der Berliner Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Bodo Pfalzgraf. Die CDU im brandenburgischen Landtag hatte wie berichtet vor einer Gefährdung der inneren Sicherheit gewarnt.

Der Minister aber verteidigte gestern seine Haltung. Bei den Plänen gehe es um mehr Sicherheit für die Bevölkerung. Freigang nach fünf Jahren gebe es erst nach eingehender Untersuchung und wenn Gefangene ihr Behandlungsprogramm aus verschiedenen Therapien durchlaufen hätten. Denn es müsse ausgeschlossen werden können, dass der Verurteilte flüchtet oder erneut straffällig wird. „Straftäter dürfen nicht vollständig von der Außenwelt abgeschottet werden“, sagte Schöneburg. Die Lockerung diene der besseren Eingliederung in die Gesellschaft. Vorwürfe der CDU, er wolle einen „Freizeitvollzug für Verbrecher“ schaffen, wies er als „hysterisch und populistisch“ zurück. Wissenschaftliche Studien zeigten, dass Resozialisierung der beste Schutz für die Bevölkerung sei. Therapien sollten früher ansetzen und Lockerungen weitaus gezielter genutzt werden. Dies sei laut Wissenschaftlern der Königsweg, um die Rückfallquote zu senken. Zugleich könnten Negativerscheinungen der Haft wie Hospitalisierung, die bereits nach vier Jahren einsetze, gemindert werden. Überdies herrsche bei der Freigangsregelung bereits heute ein Flickenteppich in Deutschland, dies sei der Preis der Föderalismusreform.

Die SPD versuchte sich am Dienstag im Spagat: Weder sollte Schöneburg völlig demontiert, noch die Verunsicherung der Bevölkerung weiter geschürt werden. „Der SPD-Fraktion liegt derzeit noch kein konkreter Entwurf einer Neuregelung vor, insofern können wir keine detaillierten Aussagen treffen“, sagte SPD-Fraktionssprecher Matthias Beigel den PNN. Grundsätzlich müsse aber vor jeder Vollzugslockerung eine sehr restriktive Einzelfallbewertung des Sachverhaltes durch die Justiz stattfinden. „Gerade bei problematischen Fällen der Sexualdelikte wird im Regelfall das Interesse der Allgemeinheit überwiegen, sodass eine Vollzugslockerung in diesen Fällen nicht gewährt werden kann“, sagte Beigel. Das von Dietmar Woidke (SPD) geführte Innenministerium sieht dagegen bereits „bei diesem Thema Diskussionsbedarf“.

FDP-Rechtsexpertin Linda Teuteberg warnte vor einer „vorschnellen Aufregung“ bei „so sensiblen Themen wie der Ausgestaltung des Strafvollzuges“. Die Diskussion werde im Rechtsausschuss sowie im Plenum stattfinden, sobald überhaupt ein Gesetzesentwurf des Justizministeriums vorliege, so Teuteberg. „Ich werde mir dann mein Urteil bilden und meiner Fraktion ein Votum empfehlen.“ Die Grünen äußerten sich nicht.

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