Von Alexander Fröhlich: SPD will von Schöneburg echte Justizreform Innenminister Woidke gehen Pläne nicht weit genug. Er kassiert Speers Bestandszusage für Amtsgerichte
Potsdam – In Brandenburgs rot-roter Regierung bahnt sich ein Richtungsstreit über die Reform der Justizstrukturen an. Die Schließung von Amtsgerichten – für die Linke ein rotes Tuch – steht auf Druck der SPD plötzlich wieder auf der Agenda.
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Potsdam – In Brandenburgs rot-roter Regierung bahnt sich ein Richtungsstreit über die Reform der Justizstrukturen an. Die Schließung von Amtsgerichten – für die Linke ein rotes Tuch – steht auf Druck der SPD plötzlich wieder auf der Agenda. Dem von Dietmar Woidke (SPD) geführten Innenministerium, das strategisch für die Verwaltungsmodernisierung im Land zuständig ist, gehen die Pläne von Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke) nicht weit genug. Statt nur die vier Bezirke von Staatsanwaltschaften und Landgerichten an den Zuschnitt der neuen Polizeidirektionen anzupassen, fordert das Innenministerium nach PNN-Informationen radikalere Schritte und sieht „weiteren Handlungsbedarf“.
Die Fachleute der SPD-Landtagsfraktion fordern einen „großen Wurf“. Sogar Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) macht Druck. Er hatte die Brandenburger in der vergangenen Woche wegen des drastischen Bevölkerungsschwunds und knapper werdender Kassen auf einen tief greifenden Umbau des Landes eingestimmt. Intern wird das als Rückendeckung für die Position des Innenministeriums gewertet, wie die Gemeinde- und Kreisstrukturen auch die Justiz zu verschlanken. Mit der Polizeireform und dem Stellenabbau von 8900 auf 7000 Stellen habe das Innenressort einen wichtigen Sparbeitrag geleistet, nun müsse auch die Justiz Federn lassen, hieß es aus Woidkes Umfeld.
Bislang berief sich Schöneburg auf eine interne Absprache mit Ex-Innenminister Rainer Speer (SPD), wonach im Zuge der Polizeireform und des Umbaus der Landgerichtsbezirke die Amtsgerichte unangetastet bleiben. Diese Garantie ist nun vom Tisch. Einen Gesetzentwurf Schöneburgs für die Ressortabstimmung vor einem Kabinettsbeschluss hat das Innenministerium in einer vertraulichen Stellungnahme, die den PNN vorliegt, zerpflückt. Die „Ausführungen“ werden „nicht mitgetragen“, heißt es in dem Papier.
Dabei hat Schöneburg bereits Zugeständnisse gemacht und ein noch in der rot-schwarzen Vorgängerregierung von Ex-Justizministerin Beate Blechinger (CDU) vorgelegtes, aber Anfang 2009 wegen zahlreicher Abweichler bei SPD und CDU auf Eis gelegtes Konzept aus der Schublade geholt, dass die Schließung und Zusammenlegung weniger Amtsgerichte vorsah.
Aus Sicht der Verwaltungsmodernisierer im Innenministerium greift das „inhaltlich zu kurz“. Vielmehr müsse eine „grundsätzliche Entscheidung über die Gerichtsstrukturen in Brandenburg – zumindest für das laufende Jahrzehnt“ her. Dabei berufen sich Woidkes Fachleute auf ein Arbeitsprogramm des Kabinetts vom Juni 2010, demzufolge ein „Konzept zur sachgerechten Reduzierung der Zahl der Amts- und Arbeitsgerichtsbezirke“ erarbeitet werden soll. Als Präzedenzfall wird das Amtsgericht Guben genannt, das als Außenstelle des Amtsgerichtes Cottbus seine Eigenständigkeit verliert. Das Innenministerium will sich nicht damit abfinden, dass etwa die „Auflösung der Amtsgerichte in Eisenhüttenstadt und Zossen“ „gesperrt sein sollte“. Stattdessen wird eine Analyse gefordert, die den Raum- und Personalbedarf im Jahr 2030 mit dem bis prognostizieren Einwohnerschwund abgleicht. Schöneburg dagegen beharrt bislang darauf, die 25 Amtsgerichte an ihren Standorten weitestgehend zu erhalten, weil der Staat dem demografischen Wandel in der Fläche nicht Vorschub leisten und sich nicht zurückziehen dürfe.
Auch bei den neuen Landgerichtsbezirken tritt der Justizminister auf die Bremse. Deren „territoriale Übereinstimmung“ mit den vier Polizeidirektionen soll nach seinen Gesetzesplänen erst 2014 greifen – um größeres Ungemach bei den Richtern, Staatsanwälten und Justizbediensteten abzufedern. Bereits jetzt formiert sich in Potsdam und Frankfurt (Oder) Widerstand. Dort sträubt sich das Personal gegen Versetzungen. Weil das Amtsgericht Königs Wusterhausen vom Potsdamer Landgericht an Cottbus fällt und das Amtsgericht Schwedt vom Landgerichtsbezirk Frankfurt (Oder) nach Neuruppin angegliedert wird, müssen nach internen Berechnungen mehr als 50 Beschäftigte ihre Dienststelle am Landgericht oder bei der Staatsanwaltschaft wechseln.
Zweiter Grund für Schöneburgs Verzögerungstaktik sind die unklaren Kosten. In Cottbus muss neu gebaut und saniert werden, ebenso beim Amtsgericht Königs Wusterhausen, wo die Staatsanwaltschaft Cottbus eine Außenstelle erhalten könnte, weil sie für den Flughafen BBI in Schönefeld zuständig sein wird. Erst wenn dies abgesichert ist, will der Justizminister die Strukturen anpassen.
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