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Von Thorsten Metzner: Speer: Osten nicht krisenfester

Potsdams Finanzminister widerspricht einer gängigen These – auch von SPD-Regierungschef Platzeck

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Potsdam - Brandenburgs Finanzminister Rainer Speer (SPD) warnt vor der Illusion, die neuen Bundesländer seien besser als der Westen Deutschlands für die Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise gerüstet. „In der gegenwärtigen Krise spricht aus meiner Sicht jedenfalls nicht viel für einen spezifischen ,Ostvorteil’“, warnt Speer in der aktuellen Ausgabe des SPD-Blatts „Perspektive 21“. Die Krise habe in Brandenburg „die erfolgreiche Entwicklung von Wirtschafts- und Arbeitsmarkt zumindest vorübergehend gestoppt, die wirtschaftliche Aufholjagd gegenüber dem Westen zum Erliegen gebracht“. Die geringere Exportabhängigkeit der einheimischen Wirtschaft, die als Beleg für die Krisenfestigkeit des Ostens angeführt wird, ist für Speer „kein Grund zur Beruhigung“.

Die Wortmeldung des einflussreichen Ministers, der als „Kronprinz“ von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) gehandelt wird, gilt als bemerkenswert. Denn er widerspricht damit einer gängigen These, die Spitzenpolitiker von SPD und CDU, ob Platzeck selbst, Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier, Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee, Bundeskanzlerin Angela Merkel oder ostdeutsche CDU-Regierungschefs, propagiert haben.

In seinem kürzlich veröffentlichten Buch „Zukunft braucht Herkunft“ ging Platzeck sogar noch weiter. Im Unterschied zu Westdeutschland mit industriellen Großunternehmen wie Siemens, Volkswagen, Daimler oder BMW, werde „im Osten mittlerweile in ganz anderen, zum Teil fragileren, aber auch anpassungsfähigeren Strukturen und Prozessen gewirtschaftet“, schreibt Platzeck dort. „Es könnte sein, dass sich diese Art des flexiblen Wirtschaftens in kleineren Einheiten als das langfristig zukunftstauglichere Modell erweisen wird“. Zwar könne man sich dessen nicht sicher sein: „Aber mindestens ebenso unsicher scheint mir, ob die großen Flaggschiffe der deutschen Industrie die nächsten zwei Jahrzehnte noch überleben werden“, so Platzeck.

Im Gegensatz dazu sieht sein Finanzminister eine „fortdauernde Schwäche der ostdeutschen Wirtschaft“, die sich in der geringeren Exportfähigkeit widerspiegle. Die wirtschaftliche Basis im Osten sei stärker als früher, „aber wegen ihrer mangelnden Breite und Stabilität nach wie vor verletzlicher und anfälliger gegen Kriseneinflüsse als die Wirtschaftsstrukturen im Westen.“ Speer prophezeit zudem, dass die überwiegend in Westdeutschland angesiedelten Exportbranchen zuerst profitieren werden, wenn die Konjunktzur wieder anspringt. „Durchaus möglich also, dass entsprechende wirtschaftliche Erholungstendenzen auch erst mit Verzögerung im Osten ankommen.“ Zuächst einmal aber muss Brandenburg auch noch wegen Steuerausfällen und über den Länderfinanzausgleich mit Finanzeinbrüchen rechnen, so Speer. 2009 seien 400 Millionen Euro, 2010 sogar 600 Millionen Euro weniger zu erwarten.

Grundsätzlich warnt Speer davor, Stimmungen in ihrer Wirkung auf Wirtschaft zu überschätzen. Zwar sei die „ökonomische Laienweisheit“ („50 Prozent der Wirtschaft ist Psychologie“) derzeit wieder zu Ehren gekommen. „Den Leuten ernsthaft einreden zu wollen, die Ursachen und Folgen der Krise ließen sich allein mit guter Laune und Zweckoptimismus beseitigen, ist Unfug“, so Speer. „Wohl eher ist es an der Zeit für klare Worte und bittere Wahrheiten.“

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