Von Thorsten Metzner: Speer schlägt Springer
Ex-Minister siegt vor Berliner Kammergericht. Verlag gibt nicht auf und spricht von „Etappenniederlage“
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Potsdam - Bei Brandenburgs Sozialdemokraten ist die Sorge nicht ausgeräumt, dass weitere brisante Interna vom gestohlenen Laptop des Ex-Ministers Rainer Speer publiziert werden könnten. Nun errang Speer, der im September 2010 wegen einer Unterhaltsaffäre zurücktrat und sich aus der Politik völlig zurückzog, einen Erfolg gegen den Axel–Springer–Verlag. Der darf, so das vom Berliner Kammergericht am Montag verkündete Urteil, den vom Laptop stammenden E-Mailverkehr zwischen Speer und der Ex-Geliebten und Mutter einer unehelichen Tochter nicht veröffentlichen.
Die juristischen Auseinandersetzungen gehen aber weiter. Speer klagt auf Schadenersatz, die Rede ist von 150 000 Euro. Der Springer-Konzern will, so Anwalt Jan Hegemann, die Verfahren notfalls „bis zum Bundesgerichtshof, bis zum Bundesverfassungsgericht“ durchfechten. Ende Juni ist die erste mündliche Verhandlung im mit Spannung erwarteten Hauptverfahren am Landgericht.
„Das Urteil kommentiert sich selbst“, sagte Speer. Er habe sich „vollständig durchgesetzt“. Nach Worten seines Anwaltes Johannes Eisenberg sind die Chancen auf Schadenersatz gestiegen. „Er hat Recht bekommen, ihm steht Schadenersatz zu.“ Eisenberg ging so weit, dass es „nicht zum Rücktritt“ gekommen wäre, wenn Springer damals die Privatsphäre von Speer gewahrt hätte.
Allerdings ist das Urteil in dem Berufungsverfahren, mit dem das Kammergericht eine Entscheidung des Landgerichts bestätigte, an diesem Punkt nicht so eindeutig. Die Kammer bejahte nämlich ausdrücklich „ein hohes Informationsinteresse an den Umständen, die zum Rücktritt ... geführt haben“, also an den Fakten, „beschränkte das Verbot auf die Wiedergabe“ der E-Mails „in wörtlicher oder indirekter Rede“.
Begründet wird dies mit der privaten Korrespondenz, dem Schutz der Persönlichkeitsrechte, der Herkunft der Daten, die wahrscheinlich „durch Straftaten Dritter beschafft worden sind“ und damit, dass keine Straftat Speers vorlag. Für den Springer-Verlag ist es eine „Etappenniederlage“, wie Anwalt Hegemann sagte. Es gehe um eine publizistische Grundsatzfrage: Denn unstrittig seien die Fakten, wonach ein Minister „während seiner Amtszeit weiß, dass er höchstwahrscheinlich Vater eines Kindes ist, für das er keinen Unterhalt zahlt, den es stattdessen vom Steuerzahler bezieht“. Das Informationsinteresse in so einem Fall überwiege, so Hegemann.
Speer hatte nach dem Rücktritt eingestanden, Vater eines uneheliches Kindes zu sein, für das er jahrelang keinen Unterhalt zahlte. Den Unterhaltszuschuss, den es vom Staat kassierte, zahlte er inzwischen zurück. Und der Laptop Speers, der „graue Eminenz“ der Landes-SPD und von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) war, gilt als „tickende Zeitbombe.“ Letzte Woche hatte der Presserat eine Beschwerde des Olympischen Sportclubs Potsdam abgewiesen, Speer ist dort Präsident, der gegen die Veröffentlichung von ebenfalls vom Laptop stammenden OSC-Vereinsinterna interveniert hatte. Diese Niederlage kommentierte Speer so: „Eine Krähe hakt der anderen kein Auge aus.“
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