Brandenburg: Stadtbildpfleger oder Gestaltungsbeirat?
„Quo vadis Potsdam?“, 8.
Stand:
„Quo vadis Potsdam?“, 8. August 2006
Der Vorsitzende des Bau- und Stadtplanungsausschuss, Dr. Seidel, wünscht sich einen Stadtbildpfleger. Ich bin dafür, dass ein solcher in der Stadtverwaltung wieder die Verantwortung für „baukulturelle“ Belange übernehmen sollte. Aber ein „Stadtbildpfleger“? Das liegt in der Nähe von einem „Stadtbilderklärer“ der DDR. Es geht wohl um mehr. Bis zum Jahr 2000 waren gestalterische, vor allem baukulturelle Verantwortlichkeiten in der Stadtverwaltung verankert. Die „Stabsstelle Stadtbaudirektor“ war eine Verwaltungseinheit für ein differenziertes Aufgabenspektrum mit stadtstrukturellen und -gestalterischen Schwerpunktaufgaben. Der Ausstellung-, Veranstaltungs- und Sitzungsbereich war dem zugeordnet. Er bot Informations- und Präsentationsmöglichkeiten für Bürger, Politiker und Verwaltung. Als der Stadtbaudirektor im Jahr 2000 in Pension ging wurde die Stelle im Zuge der „Modernisierung der Verwaltung“ wegrationalisiert. Ich nehme an, dass Dr. Seidel diesem Vorgehen damals zustimmte, er machte jedenfalls den damaligen Stadtbaudirektor besonders für die „Platzhalter der Neuzeit“ (Glienicker Horn, Potsdam-Center) verantwortlich. Diese Projekte wurden genehmigt. Ursprüngliche Konzepte wurden nicht realisiert. Von einem geplanten „Quartier am Bahnhof“ blieb ein isolierter Bauteil übrig. Mag man ihn nicht schön finden, aber Potsdam bekam einen modernen und lebendigen Bahnhof an Stelle von abstoßenden Brachen. Der Vorsitzende des Bau- und Stadtplanungsausschuss singt nun wieder das „Potsdamer Klagelied“. Er verschweigt, dass in Potsdam Bauinvestitionen im Hochbau- und im Infrastrukturbereich seit der Wende in einer Größenordnung von zehn Milliarden Euro getätigt wurden.
Das historische Potsdam bekam sein Geld von der „Krone“: Wertschöpfung, städtische Steuerkraft waren Fremdworte. Die von Dr. Seidel gescholtenen „Kleinbürger“ fingen damit an. Wenn sich das heutige Potsdam eine Basis für kulturelle Ansprüche ausbauen will, müssen die Verantwortlichen begreifen, dass es nicht nur die feudale oder die großbürgerliche Kultur gibt, deren Verlust Dr. Seidel beklagt. Die kulturelle Pluralität in der Stadtpolitik und -Planung anzuerkennen, muss das Ziel sein. Dafür bedarf es mehr als eines „Stadtbildpflegers“. Der Apell für eine Weisungsgebundenheit ist ja wohl nur eine Zauberformel. Diese Kraft würde im Rahmen von vielfältigen gesetzlichen, finanziellen, politischen Bindungen tätig. In Berlin wird gerade die Neubesetzung solch einer Aufgabe heiß diskutiert. Die hatte einen hohen Durchsetzungsgrad, verprellte aber viele Bürger, Bezirkspolitiker, Investoren und Architekten, die nicht zur „Clique“ gehörten. Ich würde mich freuen, wenn Potsdam sich einen Gestaltungsbeirat aus anerkannten Fachleuten leisten würde, der die Baugenehmigungen und das Wettbewerbswesen öffentlich mitdiskutiert. Vorbilder und abrufbare Erfahrungen gibt es dafür genug in anderen Städten.
Richard Röhrbein, Stadtbaudirektor, Potsdam i. R.
„Quo vadis Potsdam?“, 8. August 2006
Die Ansichten des Gastautors enthalten viele wertvolle Gedanken, insbesondere der ideologiefreie Verweis auf die Konfliktlage zwischen kurzfristigen Gewinninteressen und langfristigen Baukonzepten. Die aufgezählten Potsdamer Beispiele zeigen, dass hier Licht und Schatten eng beieinander liegen. Im Hinblick auf eine künftigen Stadtbildpflege steht Potsdam an einem Scheideweg.
Nachdem der Autor eindrücklich auf die Bausünden der Vergangenheit verwies, fanden wir es sehr berührend, dass er mit dem Belvedere ein herausragendes Beispiel einer weitsichtigen, an der zeitlosen Schönheit orientierten Baupolitik ins Bewusstsein rückte. Es ist allgemein bekannt, welche Früchte eine solche engagierte Pflege der historisch gewachsenen Bausubstanz andern Ortes für das Stadtbild getragen hat – Beispiel: Dresden.
Ein „Stadtbildpfleger“ wäre in der Tat eine Institution, der die Aspekte zur Einzigartigkeit und Nachhaltigkeit bei Investitionsentscheidungen in unserer geschichtsmächtigen Stadt gegen allzu engstirnige ökonomische Interessen verteidigen könnte. Solche Entscheidungen sind immer das Resultat von Wertsetzungen und Interessen. Wir, als Mitglieder des Fördervereins zum Wiederaufbau der Garnisonkirche, wissen, dass der Wiederaufbau dieses barocken Meisterwerks nicht nur dem Steuerzahler zugemutet werden darf, sondern des besonderen bürgerlichen Engagements bedarf. Es kann nicht sein, dass „funktionale Zweckbauten“ durch Steuergelder finanziert werden, während „Architektur“ dem Bürgersinn als Financier überlassen bleibt. Es ist offenkundig, dass Investitionen in nachhaltige Bauwerke, die den einzigartigen Charakter der Stadt ausmachen, zu erheblichen ökonomischen Effekten führen. Es ist evident, dass beispielsweise das Stadtschloss und Garnisonkirche unverzichtbare Teile des einstigen „Gesamtkunstwerkes“ Potsdams sind. Dieses Gesamtkunstwerk auferstehen zu lassen ist keineswegs das Resultat von Träumereien, sondern Ausdruck einer verantwortlichen, weitsichtigen Politik der klugen Abwägung von lang- und kurzfristigen Interessen. Wenn die tiefen Wunden, die Potsdam im Laufe der jüngsten Geschichte geschlagen wurden, saniert werden sollen, dann ist nicht mit einer Verzinsung des eingesetzten Kapitals zu rechnen – wohl aber mit einer langfristigen.
Udo von Hertzberg, Peter Braun,Mitglieder des Fördervereins zum Wiederaufbau der Garnisonkirche, Potsdam
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