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POSITION: Stille Nacht

Der BER – eine Erfolgsgeschichte? Erstmals war in Brandenburg ein Volkbegehren erfolgreich, und das nicht nur knapp, sondern geradezu überwältigend.

Stand:

Die interessanteste Weihnachtskarte kam dieses Jahr von der Landtagsfraktion der Grünen: Sie zeigt ein im Schnee versunkenes Flugzeug in Erwartung des nächsten BER-Eröffnungstermins und weist darauf hin, dass man viele Termine verschieben kann, Weihnachten nicht. Das ist auch gut so, denn Weihnachten ist eine Zeit der Wünsche, Hoffnungen und Träume.

Manche träumen dann vom BER als Erfolgsgeschichte. Sie erzählen uns von ihrer staatspolitischen Verantwortung für Arbeitsplätze, Wachstum und Wohlstand. Klaus Wowereit wurde dafür gerade zum peinlichsten Berliner 2012 gewählt.

Und was wurde uns von Aufsichtsrat und Geschäftsführung nicht schon an Zahlen präsentiert: Eröffnungstermine 2007, 2011, im Juni 2012, im August 2012, im März 2013 und zuletzt im Oktober 2013. Dazu Kosten von 1,7 Milliarden Euro, 2,5 Milliarden Euro, 3 Milliarden Euro, 3,3 Milliarden Euro und zuletzt 4,3 Milliarden Euro. Alle Zahlen wurden immer größer, außer einer:

Sollten es ursprünglich 40 000 zusätzliche Arbeitsplätze sein, so wäre man inzwischen auch schon über 5000 recht froh. Zugegeben, auch das ist viel. Gemessen jedoch daran, dass der Problem-BER unter Einbeziehung der Folgekosten eigentlich schon jetzt die fünf Milliarden Euro überschritten hat, bedeutet dies eine Million Euro pro Arbeitsplatz. Vielleicht hätte man eine Supermarktkasse oder einen Eimer und ein paar Lappen für Reinigungskräfte an anderem Orte auch billiger bekommen. Ohne die immer neuen Nachschüsse zum BER müsste Brandenburg übrigens 2013 keine neuen Schulden mehr machen.

Und nein, der Flughafen wird durch 600 Millionen Euro für den Lärmschutz der Schwerstbetroffenen nicht teurer. Diese Kosten waren schon immer unmittelbare Folge der falschen Standortentscheidung. Genauso wie der Anspruch vieler Tausend Brandenburger und Berliner, nachts ruhig schlafen zu können. Probleme verschwinden eben nicht dadurch, dass man sie ignoriert oder schönrechnet.

Was bekommt man nun dazu von der Landesregierung zu hören? Herr Platzeck, immerhin Ministerpräsident und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender, erklärt uns, auch er ärgere sich. Vielleicht sogar mehr als alle anderen. Und Herr Markov, stellvertretender Ministerpräsident und Finanzminister und Aufsichtsratsmitglied, meint, auch er sei über die Entwicklung am BER nicht glücklich. Nun soll sich niemand unter dem Weihnachtsbaum ärgern oder unglücklich sein. Natürlich ist es bitter, wenn man jeden Tag die Bilanz des eigenen Versagens vor Augen hat. Wenn man jedoch einer Verantwortung nicht gewachsen ist, dann sollte man sie abgeben.

Wofür brauchen wir im Aufsichtsrat eigentlich noch die Herren Platzeck und Wowereit? Dafür, dass Herr Platzeck 106 332 Brandenburgern erklärt, sie seien ja nur fünf Prozent der Wahlberechtigten? Vertrauen gewinnt man anders.

Denn tatsächlich ist der BER, obschon selbst weit davon entfernt, jemals zu einem Erfolg zu werden, Ursache einer Erfolgsgeschichte: Erstmals war in Brandenburg ein Volksbegehren erfolgreich, und das nicht nur knapp, sondern geradezu überwältigend. 106 332 Brandenburger haben gezeigt, dass Freiheit nicht abstrakt ist. Sie haben gezeigt, dass sie ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmen wollen, nachdem die eigentlich Verantwortlichen mit immer neuen Tricks und Täuschungen jedes Vertrauen verspielt haben. Und sie haben gezeigt, dass sie es nicht mehr hinnehmen werden, wenn sie mit ihrer Gesundheit, Verletzungen ihrer Grundrechte und ihrem (Steuer-) Geld für das Totalversagen von Spitzenmanagern und Aufsichtsräten einstehen sollen.

Gemeinsam mit den 162 000 Berlinern, die das gleiche Volksbegehren unterzeichnet haben, hat sich hier eine Viertelmillion Menschen geäußert.

Willy Brandt, der sich stets dafür einsetzte, mehr Demokratie zu wagen, wäre begeistert. Nun ja, sicher nicht von den Spitzenmanagern, Aufsichtsräten und der Landesregierung, die die peinlichste Baustelle Deutschlands mit seinem Namen verbinden. Wohl aber von den 106 332 Brandenburgern.

Die Grünen im Landtag habe ich übrigens gebeten, mir die Druckvorlage ihrer Weihnachtskarte zur Verfügung zu stellen. Ich verschicke diese Karte dann nächstes Jahr.

Allen Lesern der PNN wünsche ich nicht nur eine frohe, sondern eine stille Weihnacht. Besonders von 22 bis 6 Uhr. Helfen Sie mit, dass das auch so bleibt.

Der Autor ist FDP-Landtagsabgeordneter und Rechtsanwalt. Er lebt in Teltow.

Hans-Peter Goetz

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