Brandenburg: Stolpe rügt Entfremdung beider Länder
Alt-Regierungschef kritisiert, dass Berlin und Brandenburg ungenügend kooperieren. Den Beitritts-Vorstoß hält er für diskutabel
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Er kennt die Märker wie kaum einer. Und auch Manfred Stolpe ist gegen eine kurzfristige neue Fusionsdebatte. Trotzdem hat Brandenburgs Alt-Ministerpräsident die Hoffnung auf ein gemeinsames Bundesland mit Berlin nicht aufgegeben. Im Gegensatz zu seinen Nachfolgern Matthias Platzeck und dem neuen Regierungschef Dietmar Woidke (SPD). Der reagierte am Montag ablehnend auf den Vorstoß der Stiftung Zukunft Berlin, wonach Berlin seinen Landesstatus aufgeben und Brandenburg beitreten sollte. „Es ist ein neuer Aspekt in einer alten Debatte, in der Brandenburgs Position bekannt ist“, erklärte dazu Woidke auf Anfrage. Dagegen sagte Stolpe den PNN: „Das ist ein diskussionswürdiger Vorschlag.“ Vor allem aber mahnte Stolpe kurzfristig eine wieder engere Kooperation beider Länder an, die immer häufiger getrennte Wege gehen. „Die Abnabelung darf nicht weitergehen!“ Er forderte eine „Gesetzes- oder sogar Verfassungspflicht“ in beiden Ländern, die Berlin und Brandenburg zur Zusammenarbeit verpflichte und einklagbar wäre. „Zurzeit sind Berlin und Brandenburg nicht fusionsreif.“
Die Stiftung Zukunft Berlin schlägt wie berichtet vor, dass Berlin den Status als Bundesland aufgibt und Brandenburg beitritt, wobei Berlin vom Bund entschuldet und als Hauptstadt Deutschlands gesondert gefördert würde. Hauptstadt Brandenburgs wäre weiterhin Potsdam. Das Echo auf diesen Vorschlag, den die Stiftung gemeinsam mit 30 Initiativen entwickelte und am Montagabend im Potsdamer Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte (HBPG) vor rund 120 Gästen aus beiden Ländern präsentierte, bleibt kontrovers.
Der Vorsitzende der Stiftung Zukunft Berlin, Ex-Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer (CDU), hatte zuvor den Reformvorstoß mit dem Auslaufen des Solidarpaktes 2019 begründet – und vor Untätigkeit gewarnt. Wenn Brandenburg und Berlin nichts täten, wären beide Verlierer. Berlins CDU-Landeschef Frank Henkel sagte, man dürfe eine Fusion zwischen Berlin und Brandenburg nicht isoliert betrachten. „Sie müsste in eine größere föderale Neuordnung eingebettet werden“, so Henkel. Im Zusammenhang mit weiteren Neugliederungen müsste die Frage der Hauptstadtfinanzierung geklärt werden. In der Region Berlin-Brandenburg sei er „skeptisch, dass in absehbarer Zeit“ ein neuer Fusionsanlauf gestartet werden könne. Bei der 1996 am Nein der Brandenburger gescheiterten Volksabstimmung hatte die Mehrheit der Berliner noch für ein gemeinsames Land gestimmt. Doch Henkel registriert einen Stimmungswandel. „Mein Eindruck ist, dass die Sympathie in der Berliner Bevölkerung seitdem eher abgenommen hat.“
Ähnlich, nämlich mit der weiterhin nicht absehbaren Zustimmung der Brandenburger, begründet Woidke sein Nein gegen eine Fusion auch unter veränderten Vorzeichen eines Berlin-Beitritts. „Eine Zusammenlegung von Mark und Metropole kann nicht gegen den Willen der Bevölkerung erfolgen.“ Es sei nach wie vor so, „wir haben 2,5 Millionen Einwohner, Berlin geht auf die 3,5 Millionen.“ Er wolle Brandenburg zielgerichtet weiterentwickeln. Berlin sei „dabei ein starker Motor für die gesamte Region“. Die institutionelle Verflechtung sei nirgendwo in Deutschland so eng wie hier. „Wir werden in den Punkten, wo beide Seiten dazu bereit sind, und wo wir Effekte für beide Länder erreichen können, auch weiter gut zusammenarbeiten“, sagte er. „Dazu bedarf es keiner Fusion.“ In der ersten Regierungserklärung Woidkes war die Zusammenarbeit mit Berlin kürzlich allerdings eine Randnotiz. Und da gebe es „richtige Schwächen“, warnte Stolpe. Es hapere in der Wirtschaftsförderung, in der Wissenschaft, bei den Haftanstalten. „Es macht Sinn, die Kooperation auszubauen.“ In der Veranstaltung warb der frühere SFB-Chefredakteur Joachim Braun – die PNN hatten das aus seiner Feder stammende Konzept der Stiftung veröffentlicht – für das Modell. „Wenn Berlins Entschuldung gelingt, wäre Brandenburg der große Gewinner dieser Operation.“ Es würde an wirtschaftlicher Kraft und politischem Gewicht gewinnen, „keine schlechten Aussichten“.
Eher pessimistisch, dass dies klappt, reagierte Jörg Schönbohm, der als früherer Berliner Senator und Ex-Innenminister Brandenburgs beide Seiten kennt. „Es ist ehrenwert. Aber ich glaube, das bringt nichts“, sagte er den PNN. „Die Zeit ist noch nicht so weit, die Realitäten sind nicht so.“ Er glaubt, dass ein vereinigtes Land erst nach 2019 auf die Tagesordnung komme, „wenn überall gespart werden muss.“ Stolpe warnte vor Abwarten. „Das bedeutet, dass in Zukunft Berlin formal Hauptstadt der Bundesrepublik ist, aber tatsächlich als Provinzmetropole hinter München, Hamburg und Köln herhechelt“, sagte er. „Und dass Brandenburg sich über gute Entwicklungen im Speckgürtel freut und sich mit dem Rückgang des äußeren Entwicklungsraums abfindet.“
So warb Stolpe doch – für eine Fusion.
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