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Von Alexander Fröhlich: Stressberater für Lehrer

Im Vertretungsfall: Schulen sollen Personalengpässe künftig stärker selbst regeln

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Potsdam – Brandenburgs Schulen sollen künftig die Vertretung von Unterricht stärker eigenständig regeln. Mit einem Budget können sie ab kommendem Schuljahr bei Engpässen selbst Personal einstellen, etwa pensionierte Lehrer oder amtlich geprüfte Fachkräfte. Damit reagiert Bildungsminister Holger Rupprecht (SPD) auf die anhaltend angespannte Lage an den Schulen. „5,4 Prozent des Unterrichts kann nicht wie geplant stattfinden, weil Lehrer krank sind“, sagte Rupprecht am Donnerstag im Bildungsausschuss des Landtages. Nun verordnet das Ministerium „kreative Vertretungskonzepte“. Eine von der Opposition geforderte Personalreserve in gleicher Höhe wie der Krankenstand – also fünf Prozent – lehnte er mit Hinweis auf die Haushaltslage ab. Auch Linke-Bildungsexpertin Gerrit Große sagte: „Wir werden nicht mehr Geld in das System bekommen.“ Die ab Sommer 450 zusätzlichen Lehrer fangen einiges ab, Altersabgänge, dann 30 neue Ganztagsschulen, aber nicht den Ausfall.

Daher wächst der Druck auf die Schulen: In den Schulporträts im Internet sollen Eltern ab August noch mehr Details zum Ausfall und den Ursachen wie Krankheit, schulinternen Vorgängen – wie Fortbildung oder Prüfungsaufsicht – finden. Zudem müssen die Schulen offenlegen, wie sie gegensteuern, etwa mit ihrer Vertretungsreserve oder Mehrarbeit.

Eine leichte Besserung wollte Rupprecht aber vermelden. Im ersten Halbjahr des aktuellen Schuljahres konnten 7,4 Prozent des Unterrichts nicht wie vorgesehen erteilt werden, zuvor waren es 7,9 Prozent. Seit Jahren sinkt zudem der Anteil der Stunden, die ersatzlos ausfallen von 2,1 Prozent im ersten Schulhalbjahr 2007 auf nun 1,4 Prozent. Bei drei Viertel der ausgefallenen Unterrichtsstunden war Krankheit von Lehrer der Grund.

Zufrieden sind Lehrer- und Elternvertreter nicht. Häufig werden ganze Klassen und Kurse zusammengelegt, Förder- und Teilungsunterricht, aber auch Arbeitsgemeinschaften gestrichen, wenn vertreten werden muss. Derlei „findet gar nicht mehr statt“, sagte FDP-Bildungsexperte Andreas Büttner. Dabei werben die Schulen gerade mit solchen Angeboten bei Eltern für sich. Linke-Bildungsexpertin Große berichtete von einer Schule in Biesenthal (Barnim), an der im ersten Halbjahr kein Musikunterricht stattfand. Wegen der Personalnot werden im Schulamtsbezirk Perleberg nach PNN-Informationen sogar Pensionäre reaktiviert oder externe Fachkräfte ohne Lehrerausbildung rekrutiert – schlicht weil ausgebildeter Nachwuchs fehlt. „Es gibt inzwischen keine reinen Lehrerkollegien mehr. Wer einen Informatik-Abschluss hat, wird eingestellt“, berichtete eine Pädagogin.

Eine „Task Force“ im Ministerium greift seit vergangenem Schuljahr bei Bedarf ein. Die Vertretung gelinge „immer besser“, sagte Rupprecht, im Einzelfall könne es aber „aufgrund von kurzfristigen Krankheitsfällen immer wieder zu unerfreulichem Ausfall von Unterricht kommen“. Auch für die Lehrer selbst gibt es neue Angebote, das Burnout-Syndrom ist weit verbreitet, das Personal wird immer älter, häufig gibt es „schwieriges Klientel“ und „ein Problem mit Stress“, so Rupprecht. 40 Lehrer sind deshalb zu Stressberatern ausgebildet worden, nur wird ihr Rat selten gesucht, sie sind kaum bekannt.

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