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Brandenburg: Stürmische Zeiten

„Niklas“ hat in der Region für unzählige Einsätze gesorgt, ein Mann starb und Bahnreisende waren stundenlang eingeschlossen

Stand:

Potsdam - Das Schlimmste ist vorbei: Das heftige Sturmtief „Niklas“ hat sich seit der Nacht auf Mittwoch über Brandenburg deutlich abgeschwächt. Für Mittwoch rechnete der Deutsche Wetterdienst in Potsdam zwar noch mit Gewittern und kräftigem Wind bis zu 85 Stundenkilometern. Der kräftige Sturm sei aber vorbei. Ein Überblick zu den Auswirkungen.

EINSÄTZE:

Aus allen Regionalleitstellen mussten die Feuerwehren bis zum Morgen jeweils mehrere Hundert Male ausrücken – dabei ging es überwiegend um umgestürzte Bäume oder lose Dachziegel. Am stärksten betroffen waren die Landkreise Brandenburg, Potsdam-Mittelmark und Teltow-Fläming. Dort wurden rund 600 Einsätze gezählt. In der Hauptstadt Potsdam und den Kreisen Prignitz, Ostprignitz-Ruppin und Havelland gab es mehr als 430 Einsätze. 350 Notrufe gingen wegen des Unwetters für die Landkreise Barnim, Oberhavel und Uckermark ein – und es gab 247 Einsätze. In den Kreisen Oder-Spree, Märkisch-Oderland und in  Frankfurt (Oder) rückten die Einsatzkräfte 344-mal aus.

VERLETZTE:

Ausläufer des Sturmtiefs forderten am Mittwoch einen Toten: Ein 53-Jähriger aus Mecklenburg-Vorpommern wurde bei einem Unfall in der Prignitz bei Wittenberge in seinem Fahrerhaus eingeklemmt, nachdem der Anhänger eines anderen Lastwagens bei starkem Wind auf die Gegenfahrbahn geraten war. Der Mann starb noch am Unfallort. Ein 48-Jähriger wurde in Berlin zudem von einem herabstürzenden Ziegelstein getroffen. Er erlitt eine Platzwunde am Kopf.

BAHNVERKEHR:

Im Regional- und S-Bahnverkehr gab es am Dienstag massive Einschränkungen, seit Mittwochmorgen rollen die Züge wieder – teils mit Verspätungen. Probleme gab es zumeist wegen Bäumen auf den Gleisen oder herabgerissener Stromleitungen. „Viele Kollegen haben die ganze Nacht gearbeitet, um dieses Knäuel wieder zu entwirren“, sagte ein Bahnsprecher in Berlin. Einer der größten Einsätze hat sich in der Sturmnacht in Nikolassee ereignet. Im Bereich des Kronprinzessinnenwegs war gegen 17.30 Uhr ein Baum auf Gleise und Oberleitung gestürzt, sodass zwei Regionalzüge stoppen mussten. Besonders hart traf das 400 Passagiere im Regionalexpress der Linie RE 7 kurz nach 18 Uhr. Zwar konnte die Feuerwehr den Baum schnell beseitigen, doch die Bahn konnte im Sturmchaos zunächst keinen Ersatzzug herbeischaffen. Die Passagiere saßen bis zu sechs Stunden fest. Draußen war es stürmisch und dunkel. Drinnen übernahm die bordeigene Batterie die Stromversorgung. Das bedeutete: Notlicht, nur kurzzeitig Heizung und kein Toilettengang. „Je mehr Zeit vergeht, desto dramatischer ist die Lage im Zug. Irgendwann geht es nicht mehr darum, die Leute zu bespaßen, sondern darum, dass keine Panik oder Aggression aufkommt“, berichtete ein Kollege der Zugbegleiterin am Mittwoch. Der Ton sei „immer rauer“ geworden; Fahrgäste drohten, die Scheiben einzuschlagen und zu Fuß zu gehen. Obendrein bestand der Zug aus zwei separaten Teilen, sodass die Kundenbetreuerin mit etwa einem Drittel der Gäste nur über die Sprechanlage kommunizieren konnte. Und ein Bordbistro gab es auch nicht. Ab 22.45 Uhr konnte die Bahn die Fahrgäste zum Bahnhof Wannsee transportierten – in drei Etappen bis Mitternacht, also nach sechs Stunden. Fahrgäste mussten auch bei der S-Bahn aus Zügen klettern – etwa auf der S1 in Frohnau – , weil Bäume auf der Strecke lagen. Betroffen war auch der Fernverkehr. Im Hauptbahnhof stand ein ICE als „Hotel-Zug“. Es gab Verzehrgutscheine; Sicherheitspersonal passte auf. Um 7 Uhr mussten alle aufstehen – da wurde der ICE wieder im Regelbetrieb benötigt. Bei Gransee (Oberhavel) ist ein Regionalexpress wegen Sturmschäden auf offener Strecke liegen geblieben. Die Passagiere hätten in einen Ersatzzug umsteigen müssen, sagte ein Bahn-Sprecher. Der Zug sei auf der Strecke von Rostock nach Berlin-Südkreuz in eine herabhängende Oberleitung gefahren. Da auf der Strecke auch am späten Mittwochnachmittag nur ein Gleis befahrbar war, kam es zu Verspätungen.

GEBÄUDE:

Am Theater in Brandenburg/Havel und im Neuen Garten in Potsdam wurden jeweils die Dächer der Verwaltungsgebäude beschädigt. In Unterspreewald (Landkreis Dahme-Spreewald) wurde das Dach einer Kindertagesstätte abgedeckt. Einen Stromausfall gab es zeitweise in Teilen von Cottbus. In Berlin litt der Fernsehturm unter „Niklas“. Das Wahrzeichen bleibt voraussichtlich bis Donnerstagabend geschlossen. Ab 18 Uhr soll dann ein Aufzug wieder in Betrieb genommen werden, damit die Restaurantgäste nach oben gelangen können. Die Aufzug-Firma sei zuversichtlich, dass am Karfreitag auch der zweite Aufzug wieder zur Verfügung steht, hieß es. Wegen technischer Probleme durch orkanartige Böen waren am Dienstagabend die Fahrstühle im knapp 370 Meter hohen Berliner Wahrzeichen am Alexanderplatz gesperrt worden. Besucher des Restaurants und der Aussichtsplattform in mehr als 200 Meter Höhe waren über die Nottreppen mit 986 Stufen ins Freie gebracht worden, wie ein Sprecher am Mittwoch mitteilte.

WINDRÄDER:

Noch bis Donnerstag bleiben mehrere Windkraftanlagen im Land ausgeschaltet, wie ein Sprecher des überregionalen Stromtrassenbetreibers 50Hertz erklärte. Dadurch werde verhindert, dass zu viel Strom produziert werde. Schäden durch den Sturm habe jedoch kein Windrad davongetragen, gab der Bundesverband Windenergie an. Die Statik der Anlagen sei auf Windstärken bis zu 250 Stundenkilometer ausgelegt. PNN, dpa

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