zum Hauptinhalt

Brandenburg: Szenen einer Entfremdung

Klaus Wowereit und Matthias Platzeck wollten Harmonie demonstrieren – aber daraus wurde nichts

Stand:

Potsdam - Mit Freundlichkeiten auszuteilen – das beherrscht Klaus Wowereit. Seine Zielscheibe ist in diesem Moment Matthias Platzeck, Ortstermin auf dem Restaurantschiff „John Barnett“ an der Havel. Schon in seinem Eröffnungssatz geht Klaus Wowereit auf der gemeinsamen Pressekonferenz der beiden Regierungschefs in die Vollen: Er freue sich, in Potsdam zu sein, „dem Sitz der künftigen Regierung und des Parlamentes eines hoffentlich doch irgendwann vereinigten Landes“. Er weiß natürlich, was der Gastgeber, der neben ihm sitzt, von derlei Fusions-Drängeleien hält: „Mir steht“s bis ganz oben hin, weil ich diese Fragen nicht mehr hören kann.“ So hatte es Brandenburgs Ministerpräsident, nur ein paar Stunden vor der Potsdam-Visite Wowereits, in einem Radiointerview verkündet. Klar, dass das in Berlin als „unfreundlicher Akt“ gewertet wurde: Es sei, erzählt einer aus Wowereits Umfeld, deswegen „hin und her telefoniert“ worden.

Jetzt revanchiert sich Klaus Wowereit, auf seine Art. Auch deshalb wird der gemeinsame Besuch auf dem Potsdamer Kultur- und Hightech-Areal an der Schiffbauergasse – nach den länderübergreifenden Spannungen der letzten Monate von einem Mediengroßaufgebot beobachtet – zu einem Lehrstück über das merkwürdige Verhältnis der Spitzen von Berlin und Brandenburg. Und darüber, was zwischen beiden Ländern schief läuft. Knapp zwei Stunden sind Matthias Platzeck und Klaus Wowereit über die Schiffbauergasse spaziert, haben Potsdams neues Theater, die Design-Schmiede des Volkswagen-Konzerns und diverse Kleinkunstbühnen besichtigt. Platzeck hat Wowereit vom Boot aus das Haus am Tiefen See gezeigt, in dem er als Kind aufwuchs, und „Deutschlands einzigen Aldi mit Bootsanleger“ gleich in der Nähe. Beide haben Witze gemacht, gute Laune demonstriert, in die Kamera gelächelt. Und jedes Mal, wenn sie darauf angesprochen wurden, versichert, wie gut sie sich verstehen, wie eng beide Länder kooperieren. Aber das ist, wie sich nun zeigt, ein weites Feld. Gemeinsame Wirtschaftsförderung? „Eine klare Ansage: Sie wird getrennt bleiben“, sagt Wowereit. Absprachen ja, Zusammenarbeit ja, aber keine gemeinsame Gesellschaft. „Es gibt auch unterschiedliche Interessen.“ Das sei, sagt Platzeck, auch „nicht übermäßig fatal“. Während er sich zurückhält, redet sich Wowereit frei. Berlin habe als Vorleistung für eine Fusion „Kompromisse gemacht, die wir sonst nicht gemacht hätten“. Was er damit meint? Wowereit nennt das gemeinsame Finanzgericht für Berlin und Brandenburg mit Sitz im entfernten Cottbus. „Das würden wir heute nicht mehr machen.“ Es sind Sätze wie Hammerschläge für Brandenburger Empfindlichkeiten. Und sie richten sich auch gegen Platzeck. Denn Wowereit macht – bei allem Verständnis für die fusionsablehnende Stimmung in Brandenburg – keinen Hehl daraus, dass er sich vom Nachbarn mehr Führung wünscht – mit Blick auf ein gemeinsames Land. „Politik hat auch Verantwortung zu kämpfen, nicht nur nach Umfragen zu schielen.“ Er hoffe nur, „dass eines Tages, wenn Brandenburg so weit ist, dann nicht die Berliner Nein sagen.“ Matthias Platzeck widerspricht, aber nur leise. Ein Regionalgefühl müsse wachsen, „das kann man nicht befehlen. Das geht nicht mit Kampagnen“. Das sei einmal versucht worden, 1996 beim ersten Anlauf. „Es war nicht richtig.“ Und dann wagt sich Brandenburgs Regierungschef auf“s glatte Eis der Massenpsychologie. Es gebe in einer Metropole „eine andere Mentalität, eine andere Sozialisation“ als in einem dünnbesiedelten flachen Land. In Berlin lerne man schon als Kind, sich „laut bemerkbar zu machen, um wahrgenommen zu werden“. Er wünsche sich dennoch von Berliner Seite „mehr Geduld“, mehr Nachdenken vor Botschaften in Richtung Brandenburg. „Versuchen wir doch, die Brandenburger nicht mit Fusionsterminen zu verschrecken.“ Es sind Sätze, die Berliner Empfindlichkeiten treffen. Und dort sitzen die Verletzungen tief, über die Fusionsabsage oder aus Potsdam ständig den Schuldenberg vorgehalten zu bekommen. „Ich freue mich, dass Brandenburg so reich ist“, sagt dazu Wowereit sarkastisch. Dann könne sich Brandenburg ja Fifty-Fifty an der gemeinsamen Filmförderung beteiligen, wie einmal verabredet. Berlin werde jetzt den Topf 2008 um 500 000 Euro aufstocken, 2009 um eine Million Euro, damit nicht so viele Produktionen nach Nordrhein–Westfalen oder Bayern ausweichen. „Die letzten Erhöhungen hat Brandenburg leider nicht mitgemacht. Ich hoffe, dass man jetzt die Parität herstellt.“ Matthias Platzeck sagt dazu nur: „Schaun wir mal!“

Szenen einer Entfremdung.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })