Brandenburg: Tack schickt „Agnes“ zu Rösler Initiative aus Potsdam: Bund prüft Vergütung
Potsdam – Ob Gemeindeschwester „Agnes“ wie in der bekannten DDR-Fernsehserie weiter über die märkischen Dörfer zu den Patienten fährt, beschäftigt inzwischen die Bundespolitik. Nach einem Krisentreffen Anfang April in Potsdam hat sich Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) eingeschaltet.
Stand:
Potsdam – Ob Gemeindeschwester „Agnes“ wie in der bekannten DDR-Fernsehserie weiter über die märkischen Dörfer zu den Patienten fährt, beschäftigt inzwischen die Bundespolitik. Nach einem Krisentreffen Anfang April in Potsdam hat sich Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) eingeschaltet. Nun wird die als zu gering kritisierte Vergütung für die Gemeindeschwestern überprüft. Das hat Rösler seiner Amtskollegin in Brandenburg, Anita Tack (Linke), schriftlich zugesagt. Bis 30. April soll der Bewertungsausschuss, ein Gremium aus Spitzenverbänden von Ärzten und Krankenkassen, Stellung nehmen. Zudem werden die so genannten nicht-ärztlichen Praxisassistentinnen Thema bei der Konferenz der Gesundheitsminister Anfang Mai.
Vor knapp einem Jahr waren die Gemeindeschwestern offiziell in das Vergütungssystem aufgenommen worden. Auf Druck der Krankenkassen legte der Bewertungsausschuss Fallpauschalen fest, die deutlich geringer ausfallen als bei dem 2008 beendeten „Agnes“-Projekt am Medizinischen Zentrum Lübbenau. Statt zuvor 21,50 Euro plus Fahrtkosten bekommen die Schwestern beim Erstbesuch eines Patienten nun 17 Euro, bei weiteren Besuchen 12,50. Welche Wege die Assistentinnen zurücklegen oder wie lange die Behandlung dauert, spielt keine Rolle.
„Das ist zu wenig“, sagt die Leiterin des Lübbenauer Gesundheitszentrums, Karin Linke, zur Vergütung. Sie musste hart kalkulieren, den Einsatz medizinischer Geräte wie EKG oder Videokonferenzen streichen, um wenigstens die Kosten zu decken. Grüne-Gesundheitsexpertin Ursula Nonnemacher, selbst Ärztin, spricht von einem „Rohrkrepierer“, das Modell sei betriebswirtschaftlich unrentabel. Mit 17 Euro seien die Aufgaben nicht zu bewältigen, sagte die SPD-Abgeordnete Sylvia Lehmann. „Dafür muss man nicht Mathematik studiert haben.“ Und Ralf Herre von der Kassenärztlichen Vereinigung in Brandenburg nennt die Pauschalen „wirtschaftlichen Unsinn“. Dagegen warnt der CDU-Gesundheitspolitiker Michael Schierack, die Gemeindeschwester sei kein Allheilmittel. Es fehle ein Gesamtkonzept, um Ärzte ins Land zu holen.
Die Praxisassistentinnen sollen die Ärzte in unterversorgten Gebieten entlasten, Blut abnehmen, Blutdruck und Zuckerwerte messen, Wunden versorgen, sich einen Eindruck verschaffen – alles wofür Hausärzten die Zeit fehlt. Denn während im Schnitt ein Hausarzt 900 Patienten betreut, liegt die Zahl in Brandenburg bei 1200 bis 1700. Immerhin sorgen die Assistentinnen für einen Ausgleich. Laut AOK stieg die Zahl der Hausbesuche von 4200 im Jahr 2006 auf 6400 im vergangenen Jahr. Bisher werden in Brandenburg 21 Praxisassistentinnen in 19 Hausarztpraxen in sieben unterversorgten Gebieten eingesetzt: in Angermünde, Brandenburg Land, Forst, Guben, Jüterbog, Pritzwalk und Schwedt. Karin Linke aus Lübbenau glaubt, es könnten mehr sein – wenn die Pauschalsätze höher lägen.
Auf Bundesebene sperren sich die Kassen im Bewertungsausschuss dagegen. „Wir halten die vereinbarten Sätze für gerechtfertigt“, sagte eine Sprecherin des Kassen-Spitzenverbands. Bundesgesundheitsminister Rösler lässt aber nicht nur die Kosten prüfen, es geht auch um neue Modelle. Die Landesregierung in Potsdam zeigt sich optimistisch, es gebe keine Denkverbote. Nun sind flexiblere Strukturen und regionale Lösungen im Gespräch. Gemeindeschwestern könnten für mehrere Praxen, Kliniken, in der Pflege und bei Schmerzpatienten arbeiten. Über Fonds auf Landesebene könnten die Fahrtkosten finanziert werden. A. Fröhlich
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: