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Polen: Tanktourismus ade!

Der starke Zloty macht das Nachbarland teuer - Super kostet oft mehr. Viele Polen kaufen sogar schon in Deutschland ein.

Frankfurt (Oder) / Guben – Die Tankstelle am Basar von Slubice lebt wie alle Stationen in der polnischen Grenzstadt hauptsächlich von Autofahrern aus dem Nachbarland. Nach den Höchstpreisen an deutschen Zapfsäulen hat sich der Andrang weiter erhöht. Wer kann, füllt gleich noch einen oder gar zwei Kanister. „Man spart, wo man kann“, sagt ein Autofahrer aus Königs Wusterhausen. „Bei 50 Litern im Tank und je 20 Litern im Kanister lohnt sich die Fahrt .“ Außerdem kaufe er noch Zigaretten und Spargel, der hier mit 2,40 Euro pro Kilo nur halb so viel wie sonst koste. Doch der Mann hat sich zumindest beim Benzinpreis gründlich verrechnet. Erstmals seit 1990 kosten Super bleifrei und Diesel in Polen mehr oder mindestens genauso viel wie in Deutschland. Es merkt nur niemand auf Anhieb, weil die Preise in Zloty angegeben sind.

Ein Tankwart am Rande von Slubice nimmt einen Taschenrechner, um dann selbst über das Ergebnis zu staunen. „Der Zloty ist in den vergangenen Wochen im Verhältnis zum Euro nach oben geschossen“, sagt er, tippt den aktuellen Spritpreis ein und dividiert ihn durch den Tageskurs Zloty/Euro: „1,44 Euro pro Liter.“ In Frankfurt am anderen Oderufer verlangte eine Tankstelle „nur“ 1,43 Euro. „Vielleicht kommen die Polen ja bald alle zu uns tanken“, wirft ein Berliner Tourist ein, der zufällig das Gespräch an der Verkaufstheke in Slubice verfolgt. „Schließlich ist es doch jetzt ohne Grenzkontrolle so bequem, ohne Staugefahr einfach mal rüberzufahren.“

Den polnischen Tankstellen könnte damit das gleiche Schicksal drohen wie den vielen Billigmärkten hinter den einstigen Grenzübergängen: Sie machen mit deutschen Kunden immer weniger Geschäfte. Auf dem Parkplatz vor dem Aldi-Markt in Guben an der Neiße hingegen tragen mindestens ein Drittel aller Autos polnische Kennzeichen. „Die Qualität ist in Deutschland viel besser als bei uns“, sagt ein Mann, der mit vollem Einkaufswagen das Geschäft verlässt. Auf die Frage nach dem Preis reckt er lächelnd den Daumen nach oben. Nur Zigaretten, Margarine und Spargel kaufe seine Familie noch in Polen.

Doch nicht nur Discounter auf deutscher Seite profitieren von polnischen Kunden. Auch Anbieter hochwertiger Produkte in der Bekleidungs- und Elektronikbranche freuen sich über mehr Umsatz seit dem völligen Wegfall der Grenzkontrollen. Selbst der Freizeitpark „Tropical Islands“ verzeichnet steigende Besucherzahlen aus Polen. „Die Zahl der Gäste aus dem Nachbarland hat stark zugenommen“, sagt Pressesprecher Patrick Kastner. „Deshalb gibt es auf unserer Homepage jetzt alle Informationen nicht nur auf Deutsch und Englisch, sondern auch auf Polnisch.“ Der Eintrittspreis von 25 Euro für einen Erwachsenen und 19,50 Euro für Kinder ist für die Gäste aus dem Nachbarland offenbar kein Hindernis, wie zahlreiche Autos und Busse mit „PL“-Kennzeichen auf dem Parkplatz beweisen.

So mancher polnische Autofahrer muss allerdings auf dem Weg zum tropischen Freizeitpark an der Autobahn Berlin-Dresden häufiger als gewollt abbremsen. „Polizeikontrolle, Ihren Ausweis und Ihre Fahrzeugpapiere“, heißt es sehr oft im 25 Kilometer breiten Streifen hinter der Grenze. Manchmal ist das Netz so dicht, dass ein und derselbe Autofahrer gleich dreimal hintereinander darin hängen bleibt. Landes- und Bundespolizei sowie der Zoll verfügen nach der Schließuung der stationären Grenzkontrollen über genügend Personal, das sich nun auf den Straßen zeigt. Werden polnische Autos kontrolliert, gibt es kaum Sprachprobleme. Der Grenzschutz aus dem Nachbarland stellt Personal für gemischte Streifen ab. Auch deutsche Autos werden natürlich auf Diebes- oder Schmugglergut untersucht.

„Der Grenzraum gehört seit Ende Dezember zu den am besten überwachten Regionen in Deutschland“, bestätigt Peter Salender, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Frankfurt. „Entgegen vieler Befürchtungen ist die Zahl der Straftaten hier trotz offener Grenzen zurückgegangen.“ Im Bereich Cottbus gingen die Straftaten im 1. Quartal 2008 im Vergleich zum Vorjahr um 17,8 Prozent zurück, in Frankfurt und Umgebung sogar um 31,8 auf 1216 Fälle. Auch Schwedt, Eisenhüttenstadt und Guben melden erhebliche Rückgänge. „Es gibt nur zwei Ausnahmen“, sagt Salender. „In Frankfurt verschwanden im ersten Quartal 92 Autos, vor einem Jahr waren es nur 35. In Guben wurde in 75 Lauben eingebrochen, das waren 57 mehr als im ersten Quartal 2007.“ Von den Autos – die Diebe bevorzugen Audi und VW– werden 25 Prozent auf deutscher Seite wiedergefunden. Sie dienten für Spritztouren oder Straftaten .

Die meisten Autos werden nach der Polizeistatistik in der Nähe von Autobahnen und Bundesstraßen gestohlen, um sich schnell vom Tatort entfernen zu können. Die Fluchtrichtung zeigt durchaus nicht nur nach Osten, herrscht hier doch wie gesagt starker Kontrolldruck. „Viele Autos werden ausgeschlachtet oder nehmen andere Wege ins Ausland“, sagt Salender. „Um die Diebstähle aufzuklären, haben wir eine zehnköpfige Ermittlungskommission gegründet.“ 92 „Totalentwendungen“ höre sich viel an. Aber gemessen an den dramatischen Voraussagungen vor der Grenzöffnung liege die Zahl doch noch niedrig. Claus-Dieter Steyer

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