Von Alexander Fröhlich und Klaus Kurpjuweit: Tausende blockieren Flughafen-Zufahrt
Dritte Großdemonstration in Schönefeld / Am heutigen Montag tagt die Fluglärmkommission
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Schönefeld - Um die künftigen Flugrouten am neuen Hauptstadtflughafen geht es am heutigen Montag wieder in der Fluglärmkommission. Doch die wird von den Lärm- und Routengegnern immer weniger akzeptiert. Markus Peichl vom Bündnis Berlin- Brandenburg gegen neue Flugrouten sprach bei der dritten Großdemonstration am Sonntag in Schönefeld unter dem Beifall tausender Menschen von einem „pseudodemokratischen Diskutier- und Debattierklub“. Das Gremium, in das die Landesregierungen von Berlin und Brandenburg wichtige Entscheidungen delegierten, sei ein „institutionalisiertes Ablenkungsmanöver“, sagte Peichl. „Es wird eine Bürgerbeteiligung vorgegaukelt, die es gar nicht gibt.“ Sollte die Politik nicht zur Vernunft kommen, werde der Protest ausufern. Den Landesregierungen warf er „Täuschung, perfide Manipulation, gezielte Fehlinformationen und verlogene Beschwichtigungspolitik“ vor.
Zur Demonstration kamen laut Veranstalter erneut mehr als 10 000 Menschen nach Schönefeld. Familien mit Kindern, Rentner und Jugendliche sangen dabei „Wehrt euch, leistet Widerstand“. Die Polizei sprach von rund 4000 Teilnehmern. Der Flughafen war damit bereits zum zweiten Mal über längere Zeit mit Bus und Auto nicht erreichbar, die B 96 für fast eine Stunde blockiert. Passagiere und Gäste mussten längere Fahrzeiten in Kauf nehmen. Wer mit dem Bus kam, musste von entfernten Notfallhaltestellen samt Gepäck zu Fuß zum Terminal laufen, um sein Flugzeug zu erreichen. Die Flughafengesellschaft solle spüren, „worum es uns geht“, sagte Martin Henkel von der Bürgerinitiative Zeuthen gegen Fluglärm.
Dabei geht es schon lange nicht mehr darum, welche Routen die Flugzeuge künftig nehmen und welche Orte sie in welcher Höhe überfliegen. Das Bündnis aus 14 Initiativen lehnt den vor drei Wochen in dem Gremium vorgelegten Kompromiss ab, der heute wieder Thema ist und mit dem weniger Anwohner in der Region von Lärm betroffen wären. Von „Scheinlösungen, die die Menschen beruhigen sollen“, und reiner „Kosmetik“ sprach Bündnissprecher Peichl. „Wir sind eine breite, entschlossene Bürgerbewegung, die erst ihren Anfang nimmt. Es geht um Vertrauensschutz und Rechtssicherheit.“ Beim Protest gehe es inzwischen um den „sozialen Frieden“, wie Zeuthens Initiativensprecher Henkel sagte. „Es geht darum, wie transparent die Politik mit Großprojekten umgeht, und ob sie diese am öffentlichen Interesse und an Gerichten vorbei planen und durchsetzen will.“
Durch die von der Flughafengesellschaft und den Landesregierungen unterstützten Pläne für ein internationales Drehkreuz würden bis zu 400 000 Menschen mehr durch Fluglärm belästigt als durch den im Planfeststellungsbeschluss von 1998 festgelegten Regional-Airport. „Wir wurden belogen, betrogen, ignoriert – BBI“, buchstabierte Henkel. Die Flugrouten-Diskussion sei ein Ablenkungsmanöver „von den Planungen des Flughafens als internationales Drehkreuz“. Die eigentliche Diskussion um die Dimension des Flughafens werde in dem Gremium gar nicht behandelt. „Der Beschiss, dass sich die Betreiber einen kleinen Regional-Flughafen haben genehmigen lassen und jetzt ein internationales Drehkreuz entsteht, wird dort eiskalt ignoriert“, sagte Peichl.
Und es geht ums Nachtflugverbot. Die Initiativen fordern komplette Nachtruhe von 22 bis 6 Uhr, derzeit ist das nur für 0 bis 5 Uhr vorgesehen, zwischen 22 und 0 Uhr sowie 5 bis 6 Uhr gilt nur ein eingeschränkter Betrieb. Als Provokation empfindet Zeuthens Initiativensprecher die nun von Brandenburgs Verkehrsminister Jörg Vogelsänger (SPD) genehmigte Gebührenordnung der Flughafengesellschaft für Nachtflüge, wonach die Lärm-Aufschläge weit unter den Forderungen der Fluglärmkommission liegen. „Damit wird wieder Öl ins Feuer gegossen“, so Henkel. „Man muss darauf vertrauen können, was die Politiker uns erzählen.“
Der Vorgang dürfte am Montag auch in der Fluglärmkommission Thema sein. Nachdem sich die Mitglieder auf der vorangegangenen Sitzung mehrheitlich auf die Routen für die Strecken nach dem Start festgelegt hatten, soll es diesmal um die Weiterflüge gehen. Strittig ist, wann die Piloten, die nach Westen starten und einen Kurs Richtung Norden einschlagen, mit ihren Maschinen abdrehen dürfen – bereits über Wannsee oder erst nach einem Vorbeiflug an Potsdam weit im Westen, wie es die Bürgerinitiativen fordern. Aber auch Neukölln und Tempelhof-Schöneberg könnten bei Starts gen Osten und einem anschließenden Abdrehen nach Westen überquert werden.
Die Deutsche Flugsicherung sieht bisher Flüge über das Stadtgebiet vor, wie es bereits jetzt bei Starts in Schönefeld und Tegel üblich ist. Forderungen, aus Sicherheitsgründen Überflüge dicht besiedelter Gebiete grundsätzlich zu vermeiden, haben sich bisher nicht durchgesetzt.
Doch es gibt politischen Druck, Flüge über der Stadt zu vermeiden. Die Pläne der Flugsicherung, bei den Westflügen bereits bei Wannsee abzubiegen, sind nach Informationen dieser Zeitung in Vorgesprächen vom Bundesverkehrsministerium abgelehnt worden. Beschäftigen muss sich die Fluglärmkommission auch noch mit den Regeln für die Anflüge.
Die Kommission hat zwar nur beratende Funktion, trotzdem haben der Bürgermeister von Blankenfelde-Mahlow, Ortwin Baier, sowie das Kommissionsmitglied aus Blankenfelde, Bernd Habermann, jetzt förmlich gegen die Abstimmung zu den Routenempfehlungen protestiert. Sie halten die Beschlüsse für rechtswidrig und unwirksam, weil die Abstimmung nicht auf der Tagesordnung stand.
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