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Von Claus-Dieter Steyer: Thälmann-Gedenkstätte nur noch ein Trümmerberg

Gedenkort für die letzte KPD-Tagung nach der Machtergreifung der Nazis in Ziegenhals abgerissen

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Ziegenhals – Zuerst fiel das Dach und anschließend kämpfte sich der Bagger durch den komplette Eingangsbereich: die Ernst-Thälmann-Gedenkstätte Ziegenhals bei Königs Wusterhausen ist seit Dienstag nur noch ein großer Schuttberg. Mit dem vom Eigentümer lange angekündigten und von Protesten begleiteten Abriss des Gebäudes verschwand eines der letzten baulichen Zeugnisse des Umgangs der DDR mit dem kommunistischen Widerstand gegen die Nazis. An diesem Ort hatte sich die 44-köpfige KPD-Spitze am 7. Februar 1933 und damit wenige Tage nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten zu einer letzten illegalen Tagung unter der Führung Thälmanns getroffen. Allerdings handelte sich beim „Sporthaus Ziegenhals“ nicht mehr um die originale Tagungsstätte.1958 war mit Hilfe von Spenden ein Ersatzbau entstanden, in dem jährlich Tausende junge Pioniere, Jugendliche, Brigaden, Armee-Gruppen und ausländische Delegationen zu Gast waren.

Der Brandenburger Landesvorsitzende der Linken Thomas Nord und sein Stellvertreter und Königs Wusterhausener Landtagsabgeordneter Stefan Ludwig reagierten erschrocken über den Beginn der Abrissarbeiten. „ Eine Woche vor dem 65. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus ist dieses Signal besonders bedauerlich“, sagte Nord. „Ziegenhals hatte als Gedenkstätte des kommunistischen Widerstands im zweiten Weltkrieg überregionale Bedeutung.“ Besser als jeder Abriss wäre die kritische Würdigung des damaligen Geschehens gewesen, meinte er.

Bis zuletzt hatte der Freundeskreis der Gedenkstätte mit Unterschriftensammlungen um den Erhalt des Gebäudes gekämpft. Dessen langjähriger Vorsitzende, der 82-jährige Heinz Schmidt, sprach erst kürzlich von „kapitalistischer Enteignung“ und von einem „abgekarteten Deal“. In seine Kritik bezog er auch die Brandenburger Verfassungsrichter mit ein. Da hatten im Januar den Antrag zur Erhaltung der Thälmann-Gedenkstätte abgelehnt.

Der von Einzelnen oder einer gesellschaftlichen Gruppe beanspruchte Schutz eines kulturellen Erbes sei kein Grundrecht, urteilten die Richter. Damit fiel für den privaten Grundstückseigentümer, der das Seegrundstück im Jahre 2002 bei einer Versteigerung von der Treuhandanstalt erworben hatte, die letzte Hürde für seine Pläne. Er will mehrere Villen auf dem Areal errichten lassen.

Die Gedenkstätte selbst ist seit Januar 1998 geschlossen. Im vergangenen Herbst wurde sämtliches Inventar – Stühle, Tische, Wimpel, Fotos und Bücher – aus dem Gebäude ausgeräumt und ins ehemalige Rathaus im benachbarten Niederlehme gebracht. Der Grundstückseigentümer kam damit einer Auflage des Denkmalschutzes nach.

Die große Bedeutung der Gedenkstätte im beschaulichen Ziegenhals für die DDR-Führung erklärt sich vor allem aus der Teilnehmerliste jener letzten KPD-Tagung. Auf ihr standen auch Walter Ulbricht und Wilhelm Pieck. Sie waren genau wie die anderen Spitzenfunktionäre Anfang Februar 1933 unter strenger Geheimhaltung nach Ziegenhals gekommen, da sie die Verhaftung durch die Nazis fürchteten. So trafen sich die Männer an jenem Tag zunächst an verschiedenen Orten in Berlin, um von dort zur Sternwarte in Treptow geschickt zu werden. Hier warteten zwei Busse, die die als Ausflugsgesellschaft getarnte Führungsspitze nach Ziegenhals brachten. Der Wirt des Sporthauses war ein zuverlässiges Parteimitglied. Thälmann rief in seiner Rede zur „antifaschistischen Einheitsfront“ aus Kommunisten und Sozialdemokraten auf, um die Hitlerregierung zu stürzen. Für den Rückweg nach Berlin nahmen einige Teilnehmer auch das Boot „Charlotte“, das später unter Denkmalschutz gestellt wurde. Thälmann selbst benutzte ein Auto für die Fahrt in sein Versteck. Kurze Zeit darauf entging er dennoch nicht der Verhaftung. Im August 1944 erschoss ihn die SS im KZ Buchenwald.

Fachleute wie der oberste Brandenburger Denkmalpfleger, Professor Detlef Karg, hatten stets ihre Probleme mit Ziegenhals. „Man darf die Ausstellung nicht unkommentiert lassen“, sagte er. Denn nur die Kommunisten würden hier als Gegner der Nazi-Diktatur dargestellt. Zugleich aber zeige die Ausstellung „den Umgang der DDR mit Thälmann und dem Antifaschismus so authentisch wie sonst kaum an einem anderen Ort“. Seit 2006 ist die Thälmann-Büste vom Ehrenhof verschwunden. Sie wurde gestohlen und nie wieder gefunden.

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