Brandenburg: Tod am Bahnsteig
2010 starb eine 15-Jährige in Wünsdorf: Die Sicherheit wurde erhöht, nun geht’s vors Gericht
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Wünsdorf - Zweieinhalb Jahre nach dem Tod eines 15-jährigen Mädchens auf dem Bahnhof Wünsdorf könnte am Dienstag der Prozess gegen einen Fahrdienstleiter der Bahn beginnen. Sicher ist das aber nicht. Da Lutz T. sich erneut krankgemeldet hat, hat das Amtsgericht Zossen eine neuerliche Begutachtung der Verhandlungsfähigkeit veranlasst. Ein Ergebnis soll erst am Montag vorliegen, sagte eine Gerichtssprecherin. Schon der erste Verhandlungstag am Donnerstag war geplatzt, da sich T. krankgemeldet hatte. Die Mutter der getöteten Caroline wirft dem Fahrdienstleiter unterdessen vor, „einen auf krank zu machen“. „Das ganze Spiel betreibt der aus Feigheit bereits seit einem Jahr“, heißt es auf der Facebook-Seite von Cathrin P.
Tatsächlich hat die Justiz nach Angaben einer Gerichtssprecherin bereits am 30. September 2011 Anklage gegen T. wegen fahrlässiger Tötung erhoben. Dem Eisenbahner wird vorgeworfen „die erforderliche Sorgfaltspflicht nicht gewahrt“ zu haben. Der Prozess begann jedoch nicht nach der Anklageerhebung, da ein Gutachter dem Eisenbahner Verhandlungsunfähigkeit attestiert hatte. Da zuletzt ein weiterer Gutachter das Gegenteil feststellte, sollte der Prozess nun im August beginnen.
Der Unfall am Nikolaustag 2010 hatte Schlagzeilen gemacht. Denn das Mädchen stolperte auf einem 1,90 Meter schmalen Bahnsteig vor einen durchrasenden Zug. Doch auf diesem nicht nur schmalen, sondern auch baufälligen Bahnsteig hätte sie gar nicht stehen dürfen. Der Fahrdienstleiter darf Reisende nur auf den Mittelbahnsteig lassen, wenn ein Zug nach Berlin hält – und dann darf zudem kein Zug aus Berlin kommen.
Dem Vernehmen nach stand zum Unfallzeitpunkt an diesem Abend das elektrisch zu betätigende Tor jedoch offen. Caroline wartete um 18.44 Uhr auf den Regionalexpress nach Berlin. Doch ihr Zug hatte Verspätung. Stattdessen raste ein anderer Zug auf diesem Gleis mit Tempo 120 durch die Station. Caroline machte vor Schreck einen Schritt rückwärts und stolperte dann. So erzählte später ein neben Caroline stehender Fahrgast. In diesem Moment raste auch auf dem zweiten Gleis ein Zug durch. Caroline war sofort tot.
Im Juli 2011 hatte die Staatsanwaltschaft Potsdam mitgeteilt, dass die Bahn keine Schuld trifft. Zuvor waren die Anlagen intensiv untersucht und sogar von einem Hubschrauber vermessen worden.
Trotzdem hat die Bahn in Wünsdorf die Sicherheit nach dem Unfall deutlich erhöht. So wurde längst auf dem sogenannten Hausbahnsteig – vor dem Empfangsgebäude – über mehrere Hundert Meter ein Zaun gebaut. Hier halten die meisten Züge aus und nach Berlin, nämlich 30 der täglich 60 Züge. Wer auf Gleis 7 einsteigt, muss nicht mehr durch das Tor hindurch; der Fahrdienstleiter hat also nicht mehr so viel Arbeit mit dem Öffnen des Tores. Auf Gleis 2 an dem gefährlich schmalen Bahnsteig halten täglich nur noch 14 Züge, auf Gleis 1 sind es 15. Zudem wurde eine Videoanlage installiert, drei Kameras erfassen die Bahnsteige, die Farbbilder laufen im kleinen Stellwerk auf einem Monitor zusammen ein, berichtete ein Eisenbahner.
Das Tor zum Mittelbahnsteig wird nur geöffnet, wenn ein Zug an Gleis 1 oder 2 hält. Auf dem Bahnsteig selbst hat die Bahn nichts geändert, nur die weiße Linie auf dem Boden wurde neu gestrichen. Der Fahrgastverband „Pro Bahn“ hatte die Wünsdorfer Anlage als ungeeignet kritisiert.Jörn Hasselmann
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