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Feuerprobe. Für die rot-rote Regierungskoalition geht es um mehr als nur um die Ersparnis von 2,5 Millionen Euro an Landeszuschüssen zur Entsorgung von Tierkadavern. Es geht auch um ein Signal  wie ernst es SPD und Linke mit dem Sparwillen meinen.

© Polaris/laif

Von Alexander Fröhlich und Thorsten Metzner: Tote Kühe, linker Rotstift und die SPD

Sozialdemokraten bremsen weiter Tack-Gesetz zur Streichung der Zuschüsse für Kadaver-Entsorgung

Stand:

Potsdam - Altgediente im Landtag erinnern sich noch an die „Kadaver“-Affäre um vom Land Brandenburg in den 90er Jahren geförderte völlig überdimensionierte Tierkörper-Beseitigungsanlagen. Jetzt geht es wieder um die Entsorgung toter Kühe und um umstrittene Millionen- Zuschüsse aus der Landeskasse für Agrarbetriebe. Nur das Brandenburgs Kassen nicht mehr so voll sind wie damals.

In Brandenburgs rot-roter Regierungskoalition ist nach zwei Wochen der Streit um einen Gesetzentwurf von Linke-Umweltministerin Anita Tack immer noch nicht beigelegt, die den Landeszuschuss für die Tierkörperbeseitigung völlig streichen will, die sich Land, Kommunen und Agrarbetriebe bislang zu je einem Drittel teilen. Am Donnerstag wurde deshalb die Behandlung im Agrarausschuss kurzerhand von der Tagesordnung gestrichen. Es gebe in den beiden Fraktionen „Klärungsbedarf“, hieß es.

Bei dem Streit geht es vordergründig um 2,5 Millionen Euro Subventionen, im Kern aber längst um schwere Managementdefizite in der SPD-Regierungspartei, die es so früher nicht gab. Die Rollen sind verdreht. Wie berichtet, hatte die SPD unter dem Druck der Agrarlobby überraschend erklärt, das Linke-Gesetz – es ist das erste Spar-Gesetz eines Linke-geführten Ministeriums überhaupt – nicht mitzutragen. Dabei setzt Tack nur einen Beschluss der rot-roten Landesregierung zum Haushalt 2011 um. Neben der SPD-Fraktion scherte dann auch noch, ohne jede Vorwarnung, Agrarminister Jörg Vogelsänger (SPD) aus der Kabinettslinie aus. Die Linken erfuhren von alldem aus der Zeitung.

Das alles war vor zwei Wochen. Die Linke intervenierte bei SPD-Ministerpräsident Matthias Platzeck und der Staatskanzlei. In der Linke-Landtagsfraktion gibt es einen geltenden Beschluss, der Tack bei der völligen Streichung der Subvention unterstützt. Innerhalb der Linken heißt es unisono, dass die Koalition bevorstehende unpopuläre Sparbeschlüsse etwa im Bildungs- oder Wissenschaftsetat „vergessen“ kann – wenn man schon bei Kadaver-Zuschüssen für Agrarbetriebe nach dem ersten Druck einknickt.

Auch SPD-Genossen sehen das so. Dass die SPD so chaotisch agiert, führen Koalitionäre beider Seiten auf die Unsicherheit und Führungsschwäche des neuen SPD-Fraktionschefs Ralf Holzschuher zurück. In der Vergangenheit hatte der inzwischen zurückgetretene Minister und Platzeck-Vertraute Rainer Speer als graue Eminenz hinter den Kulissen solche Konflikte geklärt und für eine klare Abstimmung zwischen Regierung und Fraktion gesorgt. Der neue Staatskanzleichef Albrecht Gerber, so heißt es in der Koalition, fülle diese Lücke „bisher nicht ausreichend“ aus.

Am Dienstag suchten die Spitzen der Koalitionsfraktionen nach einem gesichtswahrenden Kompromiss. Allerdings macht die Agrar-Lobby kräftig Druck. Konkret ist es Udo Folgart, Mitglied der SPD-Landtagsfraktion, aber auch Landesbauernpräsident, der als anfangs Parteiloser extra wegen der Wählerstimmen im ländlichen Raum in die Landespolitik geholt, 2009 SPD-Genosse und ins Kompetenzteam des damaligen Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier berufen wurde.

Nach PNN-Informationen ist jetzt statt der „Null-Lösung“ bei den Landeszuschüssen ein Modell im Gespräch, wonach künftig Agrarbetriebe 60 Prozent, Kreise 20 Prozent und das Land 20 Prozent zahlen müssten. Die könnten sich Tack und Agrarminister Jörg Vogelsänger teilen. Dieser Kompromiss widerspräche der Beschlusslage der Linken. Die Auseinandersetzung wird auch von SPD-geführten Ministerien längst aufmerksam verfolgt.

Einen besonders guten Draht in die Koalition scheint die Grüne-Fraktion zu haben, die gestern mit einem Vorschlag überraschte, der auf der Kompromisslinie liegt und Rot-Rot sogar einen Ausweg aufzeigt. Die Grünen fordern ein stufenweises Absenken der Landeszuschüsse bis 2013. In diesem Jahr sollte das Land 20 Prozent tragen, 2012 dann zehn Prozent, danach käme der Ausstieg. Tacks Anliegen sei „prinzipiell richtig“, sagte Grüne-Agrarexperte Michael Jungclaus. „Die SPD-Fraktion muss endlich aufhören, Positionen des Bauernverbandes kritiklos hinzunehmen.“ Zumal, das kritisieren selbst SPD-Politiker, die Agrarbetriebe ohnehin schon von hohen Subventionen profitieren, über alle Töpfe von der EU bis zum Land etwa 500 Millionen Euro im Jahr. Da fielen die 2,5 Millionen Euro für die Kadaver-Entsorgung kaum ins Gewicht. Überdies wird der Etatposten selten ausgeschöpft. 2005 betrug der Landesanteil 2,04 Millionen Euro, 2007 bis 2009 stets um 1,7 Millionen Euro, 2011 fielen für die ersten drei Quartale 1,6 Millionen Euro an.

Nun läuft Rot-Rot die Zeit davon. Die geplante Streichung der 2,5 Millionen Euro ist in Tacks Haushalt für 2011 fest eingeplant. Vor Verabschiedung des Gesetzes muss weiter gezahlt werden. Eine Million Euro ist es bereits, die Tack an anderer Stelle einsparen muss. Reißt sie dafür aber Lücken im Deichbau oder beim Naturschutz sind neue Widerstände programmiert.

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