
© Kitty Kleist-Heinrich
Brandenburg: Toter in Kirchenruine kam aus Israel
22-Jähriger war nicht in Berlin gemeldet. Mordkommission ermittelt
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Berlin - Der in der Kirchenruine an der Grunerstraße unweit des Roten Rathauses gefundene Tote ist vermutlich israelischer Staatsbürger. In seiner Kleidung wurde ein israelischer Pass gefunden. Aus der Botschaft des Staates Israel verlautete dazu am Mittwoch: „Herr Eyal Siso, Konsul der Botschaft des Staates Israel, hat nun die endgültige Bestätigung bekommen.“ Der 22-jährige Yossi A. ist nicht in Berlin gemeldet, ob er als Tourist hier war, ist unklar.
Für die Berliner Polizei ist die Leiche noch nicht identifiziert. Das Gesicht des Mannes sei derart entstellt durch die Gewalttat, dass eine Identifikation unmöglich ist. Die Polizei hatte wie üblich bei ausländischen Toten die Botschaft informiert, in diesem Fall um Vermittlung einer DNA-Vergleichsprobe gebeten. Diese liegt noch nicht vor, da wegen des Pessach-Fests derzeit in Israel wenig gearbeitet wird. Wie Polizeisprecher Stefan Redlich sagte, werde weiter von der Mordkommission in alle Richtungen ermittelt. Manche Berliner Juden fürchten jedoch, dass eine antisemitische Tat zugrunde liege. „Wir hoffen, dass sich diese Befürchtung nicht bestätigt“, hieß es.
Die Leiche war am Sonntagmorgen hinter den Mauern der historischen Ruine entdeckt worden. Der Backsteinbau zwischen Litten- und Klosterstraße ist ein Ort abseits und doch mitten im Zentrum. Rathaus- und Fernsehturm markieren den Horizont. Clubs am Alexanderplatz, wo vor drei Jahren der 20-jährige Jonny K. totgetreten wurde, sind nah. An dem Bauzaun, der längs der breiten Grunerstraße archäologisches Terrain absperrt, hängen Schock-Plakate der „Berliner Stadtmusikanten & Tough“, die „Drogen-Transparenz“ fordert. Die umzäunte, von einem Förderverein bespielte Ruine soll ab 15. April zum Saisonstart wieder betreten werden, ist jetzt schon einsehbar. Mittig im Kirchenschiff steht eine gesichtslose Skulptur.
Zur Nachbarschaft des Tatortes gehören an der Littenstraße der neobarocke Landgerichtsbau, mittelalterliche Stadtmauerreste und Berlins ältestes Lokal „Zur letzten Instanz“ von 1621. Auf der Klosterstraßen-Seite befinden sich ein U-Bahn-Eingang und der Kastenbau am Eck, Nr. 44: ein Freies Atelierhaus, ein Szene-Refugium für Theater und Kunst, wie es kaum im Zentrum einer anderen Hauptstadt denkbar wäre. Von hier aus hat man Ausblick auf die Ruine. Am Nebeneingang klingelt man für den „2BEClub“, den „Most Famous HipHop & Black Musik Club“, den die „Erlebe den Unterschied Gastro“ hier betreibt. Auf Schildern sind Künstler, Architekten, Consulter, die Gruppe Naked Lunch und ein „Theaterdiscounter“ eingetragen. Passanten schlendern zum Tatort, reden darüber. Eine Baustelle lärmt, Verkehr rauscht. An Ostern sehr früh mag es hier ziemlich still gewesen sein.
Neben der Ruine stehen drei Skulpturen mit schmalen Lippen. Eine Jahreszahl, 1978, ist an der „Pietá, gewidmet den Lebenden“ angebracht: Der Frau fehlt eine von Vandalen massakrierte Antlitzhälfte, dem Toten auf ihrem Schoß verdeckt langes Haar das Gesicht. Der grimmige Auferstandene auf der Säule vorm Portal streift eine Dornenkrone ab, die sich in der Kopfhaut verpiekst. Die Dame, unter deren Mantel sich ein Kind versteckt, blickt nach oben, von wo das Unheil kommt. Am 3. April 1945 war Berlins schönste gotische Basilika zerstört worden, von „anglo-amerikanischen Bombern“, wie eine Zeittafel dokumentiert. Dort wird auch vermerkt, dass Reste der allerersten Feldsteinkirche von 1250 an der Nordwand zu sehen sind; dass in dem Franziskanerkloster, zu dem das Gotteshaus gehörte, noch 1571, vor dessen Umwidmung zum Gymnasium, Berlins erste Druckerei eingerichtet war; dass im 18. Jahrhundert das Graue Kloster ein „Zentrum deutsch-russischer Beziehungen“ gewesen sei und während der Befreiungskriege ein Lehrort für Turnvater Jahn. Auf Stufen, die zum Portal herabführen, liegen Blätter, Scherben, ein Jägermeisterfläschchen, ein Bauarbeiterhandschuh.Ha/tl
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