Brandenburg: Troja in den Sand gesetzt
Heute und morgen zeigt Sat 1 einen Zweiteiler über Heinrich Schliemann. Drehort war Marwitz. Im Dorf ist man enttäuscht über eine verpasste Chance
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Marwitz - Die meisten Bewohner von Marwitz werden heute Abend wohl mit einem zwiespältigen Gefühl vor dem Fernseher sitzen. Viele wollen sich mit Freunden und Verwandten treffen, um das Ereignis gemeinsam zu verfolgen. Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr verabredeten sich in einer Kneipe. Schließlich kommt es nicht alle Tage vor, dass ihr gerade 1400 Einwohner zählender Ort nordwestlich von Berlin auf dem Bildschirm auftaucht. Am Rande von Marwitz wurden im vergangenen Sommer viele Szenen vom neuen Sat-1-Fernsehepos „Der geheimnisvolle Schatz von Troja“ gedreht. Mancher Neugierige hat sich die gigantischen Kulissen damals angesehen, wenn auch nicht ganz offiziell. Das Gelände war weithin abgesperrt. Zum großen Leidwesen der meisten Marwitzer erinnert heute nichts mehr an den Nachbau der Ausgrabungsstätte von Heinrich Schliemann (gespielt von Heino Ferch) in der Türkei.
„So eine Chance bekommen wir nicht wieder“, ärgert sich der Bürgermeister der Großgemeinde Oberkrämer, Helmut Jilg, zu der Marwitz gehört. „Wenn wir die Kulissen noch hätten, wäre bei uns doch der Teufel los. Viele Touristen hätte es zu uns geführt. Zumal wir im Oberkrämer durchaus noch mehr zu bieten haben.“ Jilg verweist auf den Oberkrämer Forst und viele Wanderwege. So wie dem Bürgermeister geht es vielen Einheimischen. Im fertigen Film sehen sie die Wirkung der beeindruckenden Reste der Stadt Troja. Die ganze Region hätte von der Schaustelle profitieren können.
Aber von der 150 Meter langen, 70 Meter breiten und zwischen sechs und zwölf Meter tiefen Grube ist nichts mehr zu sehen. Die ausgegrabenen Erdmassen wurden wieder zurückgebracht und festgestampft. Darunter versanken auch 2000 Quadratmeter Steinimitate aus Beton und Gips, die der Schliemann-Darsteller im Film als Teil des untergegangenen Troja entdeckt. Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) zeigte sich bei seinem Besuch im August 2006 tief beeindruckt von den Leistungen der Kulissenbauer des Studios Babelsberg. „Die größte in die Tiefe gebaute Filmkulisse Europas schafft eine Illusion der Superlative. Hier muss man einfach begeistert sein“, sagt Platzeck. Der neue Fernsehfilm zeige die Potenziale des Medienstandortes, der zu einer festen Adresse allerersten Ranges für große nationale und internationale Film- und Fernsehproduktionen geworden sei.
Spätestens da wäre wohl die Gelegenheit gewesen, um mit der Produktionsfirma darüber zu reden, ob man die Kulissen nicht erhalten könnte. „Die Behörden, die die Baugenehmigung ausstellten, wussten wahrscheinlich nicht viel über den imposanten Bau in der Lehmgrube“, vermutet Bürgermeister Jilg. „Deshalb bestanden sie beim Vertragsabschluss auf die umgehende Beseitigung der Grube nach Abschluss der fünfwöchigen Dreharbeiten.“ Die Produktionsfirma, die auch in Kroatien und auf Rhodos drehte, hat die Vereinbarung eingehalten.
Der Bürgermeister bedauert, dass die Marwitzer nicht zu einem Drehtag eingeladen worden sind. „Wir hätten vielleicht eingreifen und mit den Filmleuten reden können. So verlief alles buchstäblich im Sande“, sagt Jilg, der sich den Troja-Hügel selbst auch nur heimlich ansehen konnte. In Marwitz sitzt die Enttäuschung über die verpasste Chance noch aus einem anderen Grund tief. Hedwig Bollhagen, die in den dreißiger Jahren im Dorf ihre HB-Werkstätten für Keramik gründete, wäre im November 100 Jahre alt geworden. Doch die große Jubiläumsausstellung über die Künstlerin findet in Potsdam statt. Das Haus der brandenburgisch-preußischen Geschichte hat die Mittel dafür erhalten. Der authentische Ort im flachen Land geht leer aus. „Wir vergeben einfach zu viele touristische Chancen“, meint Bürgermeister Jilg.
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