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Von Alexander Fröhlich: Trübt das Klima den Stechlin?
Landesumweltamt hat „revolutionäre Idee“ zur Veränderung des Sees / Experte mahnt Forschung an
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Neuglobsow/Potsdam – Bei Anglern und Tauchern ist er berühmt für seine 68 Meter Tiefe und das besonders klare Wasser, Urlaubsbroschüren versprechen, dass einem „die Fische in die Augen sehen, bevor sie an der Angel anbeißen“. Doch der Große Stechlinsee bei Neuglobsow (Oberhavel) im Norden Brandenburgs, nachdem in der DDR ein Klarer-Billigfusel benannt war, wird immer trüber, die Pflanzenwelt verändert sich. Nachdem der Naturschutzbund (Nabu) im vergangenen Sommer Alarm geschlagen und von „dramatischen Veränderungen“ gesprochen hatte, glaubt Matthias Freude, Präsident des Landesumweltamtes Brandenburg, den Grund gefunden zu haben: „Die Ursache könnte der Klimawandel mit Trockenheit und Starkregen sein“, sagt Freude.
Im Herbst hatte der Chef des Umweltamtes am Rande des Sees Bohrungen setzen lassen, um das Grundwasser zu untersuchen. Der Stechlin, sagte Freude, sei eines seiner „Leib- und Magenthemen“. Dank der Messergebnisse hat ein wissenschaftlicher Mitarbeiter des Umweltamtes eine „neue, revolutionäre Idee“ entwickelt, wie Freude es nennt.
Demnach ist der Spiegel des kalkreichen Grundwassers wie überall im Land Brandenburg infolge des Klimawandels und anderer Faktoren gesunken, stattdessen fließe nun aber mehr Regenwasser direkt in den See. „Das ist praktisch kalkfrei, fast wie destilliertes Wasser“, so Freude. „Aber das Wasser im Stechlin will Kalk haben.“Das natürliche Gleichgewicht stelle der nährstoffarme See von selbst her, indem das am Boden abgelagerte Mineral wieder gelöst wird, so Freude. Und mit ihm das für Pflanzen wichtige Phosphor. Das beobachten Wissenschaftler seit etwa 20 Jahren. „Nun entwickeln sich in dem See Freiwasseralgen“, sagt der Behördenchef. Früher sei es umgekehrt gewesen, so Freude: Der Kalk wurde mitsamt dem Phosphor am Grund „ausgefällt“. Auch verschiedene Pflanzen haben zu diesem Prozess beigetragen, wie die Armleuchteralgen, die Freude zufolge mit einer Kalkkruste und teils mit roten Kügelchen wie kleine Weihnachtsbäume aussehen. Daher haben früher – anders als heute – kaum andere Algen die Sicht getrübt oder den Badespaß verdorben. Inzwischen ist die Sichttiefe von ehemals 12 Metern auf fünf Meter gesunken.
Auch könnten die nach trockenen Sommern zersetzten Nährstoffe aus den Mooren ringsum in den See gelangt sein. Die Idee mit dem Klimawandel wäre also „eine gute Erklärung für einen Großteil der Phänomene“, sagt Freude. Der Chef des Landesumweltamtes will aber auch andere Gründe für den trüberen See nicht ausschließen.
„Es gibt kein eindeutiges Ursache-Wirkung-System“, erklärt denn auch Peter Casper, Leiter des Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Neuglobsow. Bis 1989 seien mehr als 20 Jahre lang täglich 300 000 Kubikmeter erwärmtes Kühlwasser aus dem benachbarten Kernkraftwerk Rheinsberg in den See gelangt. Der Nabu verzeichnete auch einen Temperaturanstieg von einem Grad im Stechlin. Auch Teile des Abwassers der Atomanlage seien zugeflossen. Derzeit werte sein Institut die seit Jahren gesammelten Daten aus, so Casper; und weitere Forschungen seien dringend nötig. „Auch eine Studie zum Bestand der seltenen Wasserpflanzen muss gemacht werden“, mahnt der Chef des Gewässerinstituts.
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