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Brandenburg: Tschüssikowski
Er litt mit Hertha und war Fan von Turbine Potsdam. US-Botschafter Philip Murphy nimmt Abschied
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Berlin/Potsdam - Dreißig Tage. 15 Städte. Abschiedsgespräche überall. Dazu kamen der Obama-Besuch, die Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der Kennedy-Rede und zum Schluss noch der NSA-Skandal. Die Juni-Bilanz der Botschafter-Familie Murphy kann sich sehen lassen. Am Donnerstag, dem amerikanischen Unabhängigkeitstag, hat Philip Murphy sich morgens vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) verabschiedet und bekam zum Abschied ein Bild mit einem Bären im Hertha-Trikot geschenkt.
Wowereit freut sich, dass die Murphys mehr als einen Koffer in Berlin behalten. Den Kindern fällt der Abschied so schwer, dass sie für deren Studium gleich ein ganzes Haus gekauft haben. Auch mit Potsdam und Umgebung verbindet die Murphys eine besondere Beziehung. Selbst Miteigentümer einer US-amerikanischen Frauenfußballmannschaft war Philip Murphy ein oft gesehener Gast bei Spielen von Turbine Potsdam. Seine Kinder dagegen besuchten die Berlin Brandenburg International School in Kleinmachnow (Potsdam-Mittelmark). Am gestrigen Nachmittag verabschiedete Obamas Mann in Berlin sich auch von den Botschaftern anderer Länder bei einem Empfang am Pariser Platz. Am Abend hatte er in die American Academy geladen, um die jährliche Botschaft des Präsidenten zu verlesen. Dort wollte die Familie ein letztes Mal öffentlich auftreten – am Ende der vierjährigen Amtszeit und einer aufregenden Woche.
Am Montagmittag steht Tammy Murphy im kurzen weißen Kleid scheinbar entspannt in der Residenz des englischen Botschafters. Olivia McDonald gibt einen Abschiedslunch für sie. Noch steckt Tammy Murphy mitten im Umzug, und da sie mit ihrem Mann von Anfang an bewusst ein Team bildete, ist sie auch nicht unbelastet von dem Problem namens NSA, das sie aber nur kurz erwähnt. Stress lässt sie überhaupt nicht an sich heran. Sie wirkt cool bis in die Zehenspitzen, die aus silbernen High Heels hervorlugen. Die Reden sind kurz, aber sehr herzlich. „Als wir nach Deutschland kamen, ging ich davon aus, wir machen hier einen Job. Ich hätte nie gedacht, dass ich wirklich Freundschaften schließen würde“, sagt sie. „Es war eine Reise, die sehr bereichernd war, die Erfahrung unseres Lebens.“ Die meisten Ladys verabschieden sich mit den Worten: „Wir sehen uns noch.“
Stimmt. In der American Academy am Wannsee sind zur Abschiedsrede am Abend rund 100 honorige Gäste zusammengekommen mit Richard von Weizsäcker an der Spitze. Murphy erzählt Anekdoten über neue Erfahrungen als Diplomat. „Wann kommt in Berlin der erste Gast, wenn die Party um 19 Uhr beginnt? Um 18.40 Uhr. Und in New Jersey? Um 19.25 Uhr.“ Obwohl die politische Welt heftig bebt wegen des NSA-Skandals, ist die Atmosphäre herzlich. Menschliches und Politisches wird säuberlich getrennt. Der Botschafter habe einen großartigen Job gemacht, sei effizient gewesen hinter den Kulissen und hinterlasse seinem Nachfolger große Fußstapfen, sagt der Chairman der Academy, Michael A. Hoffman. Murphy bittet die Gäste, seinen Nachfolger John Emerson so herzlich aufzunehmen wie ihn und seine Familie. Der werde einen großartigen Job machen.
Es ist seine 914. Rede, er hat sie alle mitgezählt. Jeder einzelne Tag als Botschafter sei ihm eine Ehre gewesen, sagt er. Einige Tage hätten auch Herausforderungen mit sich gebracht. Gemeint sind Wikileaks und der NSA-Skandal. Dann redet er über seine Idole, die Kennedy-Brüder. Wie sie entstammt er dem irisch-katholischen Milieu im Großraum Boston. Der Traum von Freiheit sei nicht nur amerikanisch, sondern universell. Er erzählt von einer seiner wichtigsten Missionen als Botschafter, den Townhall-Meetings. Tausenden von Jugendlichen hat er seine Helden erklärt, neben den Kennedys Martin Luther King und Willy Brandt. Er spricht vom „Geist von Berlin“, von der Notwendigkeit, mutig zu sein und mit kleinen Schritten die Welt besser zu machen. Von seiner persönlichen Zukunft spricht er nicht. Nur so viel: Zur Wall Street will der frühere Banker nicht zurück.
Sonnabend früh startet das Flugzeug heim Richtung New Jersey. Als die Familie ankam im August 2009, trugen die Kinder Hertha-Shirts. Ihrer Lieblingsmannschaft sind die Murphys trotz der Abstiege treu geblieben. Elisabeth Binder
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