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Fast jedes Wochenende muss die Bereitschaftspolizei Kundgebungen von Rechtsextremen und Gegnern absichern.

© dpa

Polizei in Brandenburg: Überlastet: Polizeigewerkschaft schlägt Alarm

Die Stimmung in der Polizei Brandenburg ist angespannt. Die Polizeigewerkschaft warnt davor, dass die Belastungsgrenze überschritten wird. Das Innenministerium will nun Konsequenzen aus dem Vorfall in Cottbus ziehen, als die Polizei nur mit Mühe 400 Demonstranten vor einer Flüchtlingsunterkunft aufhalten konnte.

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Potsdam - Selbst die Polizei war überrascht, als vor eineinhalb Wochen plötzlich 400 Neonazis und Anwohner im Cottbuser Stadtteil Sachsendorf vor einer Flüchtlingsunterkunft aufmarschierten. Zwar wussten die Ermittler vom Staatsschutz in der Polizeidirektion Süd sehr wohl, dass über Facebook zu einer nicht offiziell angemeldeten Kundgebung aufgerufen wurden. Doch sie rechneten mit weitaus weniger Teilnehmern. Die Polizei war zunächst mit zu wenigen Beamten vor Ort und hatte größte Mühe, den aufgebrachten Mob vor der Asylunterkunft aufzuhalten.

Das Innenministerium hat nun angekündigt, Konsequenzen aus dem Vorfall ziehen zu wollen. Angesichts der zunehmenden Belastung der Polizei infolge steigenden Zahl von Flüchtlingen müsse geklärt werden, ob Staatsschutz, Verfassungsschutz und andere zuständige Einheiten wie die Mega – die Mobilen Einsatztrupps gegen Gewalt und Ausländerfeindlichkeit – noch über die nötige Leistungsfähigkeit verfügen, sagte ein Ministeriumssprecher den PNN. Auch die Ergebnisse der Evaluation der Polizeireform müssten hinterfragt werden, bei der statt der aktuell 8100 für das Jahr 2020 dann mehr als 8200 Beamte in Brandenburgs Polizei empfohlen werden.

Gewerkschaft: Zustand erreicht, der nicht mehr auszuhalten ist

Tatsächlich ist die Stimmung in der Polizei angespannt, die Gewerkschaft der Polizei (GdP) spricht von einer Besorgnis erregenden Situation. Die Beamten seien über die Belastungsgrenzen hinaus beansprucht, arbeitszeitrechtliche Vorgaben könnten nicht eingehalten werden. Dienstfreie Tage und insbesondere Wochenenden würden gestrichen. „Es ist ein Zustand erreicht, der nicht mehr länger auszuhalten ist“, sagt GdP-Landeschef Andreas Schuster.

Zwar sei nach der Evaluierung der Polizeireform eine Personalstärke von 8216 Beamten empfohlen worden, doch bereits jetzt würden 250 Beamte fehlen. Die wachsende Zahl von Asylbewerbern sei bei der Evaluierung noch gar nicht berücksichtigt worden. Aber genau das stelle die Brandenburger Polizei vor eine nicht mehr lösbare Aufgabe. Der Grund: Geplante und bereits bestehende Asylbewerberunterkünften müssen geschützt werden. Hinzu kommen Demonstrationen, aber auch Auseinandersetzungen zwischen Flüchtlingen selbst in den Unterkünften. Täglich seien im Schnitt 390 Beamte allein mit diesem Aufgabenkomplex befasst und fehlen an anderer Stelle.

Dienstfreie Wochenenden werden gestrichen

„Die Mindeststärken im Wach-und Wechseldienst können kaum mehr aufrecht erhalten werden“, sagte GdP-Landeschef Schuster. „Die Kripobeamten sind mit der Vorgangsbelastung vollkommen überfordert und kaum noch in der Lage, der Aktenberge Herr zu werden.“ Und Revierpolizisten, als erster Ansprechpartner für die Bürger, würden verheizt bei Großeinsätzen und um Schichten in den Wachen aufzufüllen. „Unsere Kolleginnen und Kollegen der Bereitschaftspolizei sind permanent im Einsatz. Dienstfreie Wochenenden werden gestrichen“, so Schuster. Diese Belastungen seien keine kurzfristige Erscheinung.

„Egal wo ich hinkomme, die Kollegen haben im wahrsten Sinne des Wortes die Schnauze voll“, sagt Schuster. Die Beamten würden sachfremd eingesetzt, könnten die eigentlichen Aufgaben etwa bei der Grenzkriminalität, Wohnungseinbrüche und Verkehrsunfälle kaum noch bewältigen, müssten Amtshilfe gegenüber der Justiz und den Kommunen leisten. Hinzu kämen jetzt noch die Herausforderungen der Flüchtlingsproblematik. Parallel sinke der Personalbestand durch Altersabgänge. „Wir können nicht warten, dass erst eine schwere Straftat den Anlass gibt, im Bereich der personellen Ausstattung der Polizei gegenzusteuern“, warnte Schuster.

Forderung nach 400 neuen Polizeischülern

Daher dürfte die Landesregierung im Nachtragshaushalt nicht nur mehr Personal für Bildung und Soziales hinzugegeben. Auch im Bereich der Inneren Sicherheit müsse sofort reagiert werden. Nötig seien mindestens 400 neue Polizeischüler statt bisher 300 im Jahr. Zumal diese auch erst nach einer dreijährigen Ausbildung zur Verfügung stehen. Die beängstigende Stimmung in der Polizei müsse auch von der Landespolitik endlich gesehen und gegengesteuert werden.

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