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Hunderttausende Liter Öl aus Pipeline ausgetreten: Ist die Versorgung mit Sprit und Heizöl in Brandenburg in Gefahr?
Öl auf dem Acker, Feuerwehr im Dauereinsatz: Wie Behörden und der Betreiber der Leitung mit dem Unfall umgehen und was die Menschen im Nordosten über mögliche Sprit-Engpässe wissen sollten.
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20 Meter hoch schoss das Öl in die Luft – und erst nach Stunden konnte das Leck an einer Pipeline im Nordosten Brandenburgs geschlossen werden. Am Tag danach dann die vorläufige, bittere Bilanz: Wahrscheinlich sind 250.000 bis 350.000 Liter Rohöl ausgetreten, wie Landesumweltministerin Hanka Mittelstädt (SPD) schätzte. Der Eigentümer der Leitung, die Raffinerie PCK, sprach von rund 200.000 Litern und einer verunreinigten Fläche von zwei Hektar.
So oder so dürfte es einer der folgenschwersten Unfälle an einer Öl-Pipeline in Deutschland seit Jahrzehnten sein. Fragen und Antworten dazu:
Was hat das Unglück verursacht?
Die PCK-Raffinerie mit Sitz in Schwedt nennt als Ursache „vorbereitende Arbeiten für einen geplanten Sicherheitstest an der Pipeline“. Der Test hätte demnach am (heutigen) Donnerstag stattfinden sollen. Eine absichtliche Fremdeinwirkung könne ausgeschlossen werden. Das Umweltministerium aus Mecklenburg-Vorpommern berichtete, es hätten sich zwei Sicherungsbolzen an einer Schieberstation, wo der Durchfluss geregelt werden kann, aus bislang ungeklärter Ursache gelöst.
Das Öl schoss laut Feuerwehr nachmittags an der Station in Gramzow aus einem kleinen Leck mit einem Druck von circa 20 Bar heraus und ging auf einem Acker nieder. Etwa 100 Feuerwehrleute und 25 Mitarbeiter der PCK waren teils bis in die Nacht im Einsatz.
Zwei von drei PCK-Mitarbeitern bekamen bei dem Unfall Öl ab und wurden vom Rettungsdienst versorgt – doch wurden keine gesundheitlichen Schäden festgestellt. Sie konnten abends nach Hause.
Was sind die Konsequenzen?
Amtsdirektorin Vera Leu sagte der dpa, schon am Abend hätten fünf Pumpwagen begonnen, das Öl, das teils in Pfützen auf dem Acker stand, aufzunehmen. Das Absaugen ging auch am Morgen weiter. Zudem wurden Öl-Sperren ausgelegt, um ein Abfließen in die Welse zu verhindern, einen Nebenfluss der Oder. Als Nächstes werde in Abstimmung mit dem Umweltamt verschmutztes Erdreich abgetragen. PCK erklärte, man stelle „alle notwendigen Mittel und Ressourcen bereit“ und habe Fachfirmen zur weiteren Unterstützung angefordert.

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Zu einer möglichen Verunreinigung des Bodens und des Grundwassers sagte der Feuerwehr-Abteilungsleiter Trenn noch am Abend, glücklicherweise sei der umliegende Ackerboden sehr nass vom Regen, sodass das Öl, das leichter als Wasser sei, quasi darauf schwimme und wohl nicht tief ins Erdreich eingedrungen sei. Daher sei eine weitgehende Verunreinigung des Grundwassers zunächst unwahrscheinlich.
Ist die Versorgung mit Sprit und Heizöl in Gefahr?
Die rund 200 Kilometer lange Leitung vom Hafen Rostock nach Schwedt ist seit 2023 eine zentrale Versorgungsader für die Raffinerie PCK, die weite Teile des Nordostens und Berlins mit Sprit, Heizöl und Kerosin versorgt.
Am Mittag versicherte PCK, es gebe keine negativen Folgen für die Versorgung. Hintergrund ist, dass es zurzeit ausreichend eingelagerte Ölvorräte gibt. Zudem liege keine Beschädigung an der Pipeline selbst vor, sodass die Leitung wohl bald wieder betrieben werden kann. Unabhängig von der betroffenen Leitung kommt auf anderem Weg kasachisches Öl zur Raffinerie. Sie hat nach eigenen Angaben eine Verarbeitungskapazität von jährlich 11,5 Millionen Tonnen Rohöl.
Was muss man über die Versorgung der PCK wissen?
PCK gehört zu 54 Prozent deutschen Töchtern des russischen Staatskonzerns Rosneft. Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine entschied die damalige Bundesregierung aber, die Töchter unter Treuhandverwaltung zu stellen.

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Die Raffinerie in der Uckermark hatte fast 60 Jahre lang nur russisches Öl über die „Druschba“-Pipeline bezogen. Doch damit ist wegen der Sanktionen gegen Russland seit Anfang 2023 Schluss. Andere Bezugsquellen für Öl wurden gefunden, um die Auslastung der Raffinerie stabil zu halten. Von da an wurde auch der Betrieb der nun vom Unfall betroffenen Öl-Pipeline von Rostock nach Schwedt hochgefahren. Vor 2023 lief sie nicht unter Volllast.
Gibt es öfter solche Unfälle?
Nein, Unfälle an Öl-Pipelines sind selten. Einen großen Pipeline-Unfall gab es zuletzt 1993 bei Weißenfels in Sachsen-Anhalt. Auch damals flossen mehrere Hunderttausend Liter Öl in die Natur – und führten zu einer Umweltschädigung riesigen Ausmaßes. Die Erdölleitung von Schwedt nach Zeitz platzte damals nahe der Autobahn 9 auf rund zwei Meter Länge. Die Ursache war laut einem späteren Gutachten Korrosion. Auf einer Seite der Autobahn bildete sich laut Medienberichten ein 1000 Quadratmeter großer Ölsee, auf der anderen Seite lief ein Graben auf 500 Meter Länge voll Öl.
Am 21. Dezember 2022 flossen wegen eines Lecks in einer Pipeline im Hafen von Brunsbüttel mindestens 12.000 Liter Rohöl in Nord-Ostsee-Kanal. Der Kanal blieb rund zwei Wochen lang gesperrt. Bei Reinigungsarbeiten nahmen Spezialschiffe nach Angaben des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamts 36 Kubikmeter Öl-Wasser-Gemisch auf. (dpa)
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