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Brandenburg: Union schweigt zum Ehrenvorsitzenden

Wirbel um Schönbohms Rolle in der Speer-Affäre: Selbst FDP und Grüne fordern von der CDU eine Bewertung

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Potsdam - Fassungslosigkeit über Jörg Schönbohm: Dass der ehemalige, langjährige CDU-Innenminister Brandenburgs nach Hinweisen auf den gestohlenen Laptop seines SPD-Nachfolgers Rainer Speer nicht die Polizei einschaltete, stattdessen die Weitergabe von Laptop-Daten an die „Bild“-Zeitung empfahl, ruft weiter Wirbel hervor. Zwar nimmt niemand die Vorwürfe zum Anlass, den Fall des über die auf diesem Weg publik gewordene Unterhalts-Affäre gestürzten Ex-Innenministers Rainer Speer (SPD) neu zu bewerten, der für ein Kind jahrelang keinen Unterhalt zahlte. Doch übten am Dienstag die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sowie SPD, Linke, Grüne und FDP scharfe Kritik am 73-jährigen Schönbohm, der heute sein damaliges Agieren als Fehler ansieht. Zugleich gerät die CDU unter Druck, deren Ehrenvorsitzender er ist, weil sie auf Tauchstation geht. Partei- und Fraktionschefin Saskia Ludwig, die auf Schönbohm verwies, wollte die Vorwürfe nicht kommentieren. Innerhalb der sonst meist an einem Strang ziehenden Opposition gingen daraufhin Grüne und FDP auf Distanz.

„Das kann man nicht auf sich ruhen lassen“, sagte Grünen-Fraktionschef Axel Vogel. Es sei unverantwortlich, dass ein einst für die Polizei zuständiger Minister bei Hinweisen auf Diebesgut nicht zur Staatsanwaltschaft geht, „sondern Tipps zur Vermarktung“ gibt. Wenn die Opposition anmahne, dass sich die SPD kritisch mit Affären ihrer Minister auseinandersetzt, müsse das auch für die CDU gelten. „Man darf nicht mit zweierlei Maß messen“, sagte auch FDP-Fraktionschef Andreas Büttner. Es könne nicht sein, dass ein früherer Innenminister und Senator der Polizei Ermittlungsansätze vorenthalte. Das „irritiert stark“. Und SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher sagte, dass Ludwig sich in der Rolle als „Aufklärerin der Nation“ gefalle. Sie müsse nun klar sagen, ob „ein im Verdacht der Hehlerei stehender Ex-Polizeiminister noch Ehrenvorsitzender der CDU-Brandenburg sein kann“.

Wie berichtet, hat Speers Anwalt bei der Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen Schönbohm wegen des Verdachts der Strafvereitelung verlangt. Die prüft noch. Schönbohm hatte als Zeuge bei Polizeivernehmungen bestätigt, dass er im Sommer 2010 von einem Mannschaftskameraden seines Berliner Tennisklubs, dem Unternehmer Volker W., darauf angesprochen worden sei, dass ein Bekannter Material vom „entwendeten“ Speer-Laptop habe und an die Presse geben wolle. Bei diesem handelt es sich um den in der Bikerszene bekannten Potsdamer Werner H., der bei der Polizei jede Aussage verweigerte. Schönbohm empfahl neben dem „Spiegel“ die „Bild“-Zeitung, die schließlich auch Material veröffentlichte.

Dass nach dem Gerät gefahndet wurde, dürfte er gewusst haben: Als der damalige Finanzminister Speer im Oktober 2009 den Laptop als gestohlen meldete, im Innenministerium die Drähte glühten und die Polizei fieberhaft sogar mit Handy-Ortung fahndete, war er Innenminister. Dass er die Strafverfolgungsbehörden nicht über den brisanten Tennis-Dialog informierte, ist für GdP-Landeschef Andreas Schuster unverständlich. Zwar habe Schönbohm „keine Straftat“ begangen, aber er hat „zwischen politischem Kalkül und Strafverfolgungsinteresse entschieden – und das falsch“. Von jedem Bürger erwarte man, „dass er bei Hinweisen auf Diebesgut die Polizei informiert“. Thorsten Metzner

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